Kooperation statt Gemeinschaftsunternehmen

Kein Kündigungsschutz durch Partnerapotheken

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Berlin -

Wenn Apothekerfamilien mehrere Apotheken führen, können Verbünde entstehen, die beispielsweise gemeinsam einkaufen oder sich im Tagesgeschäft gegenseitig aushelfen. Solange die Apotheken getrennt geführt werden, werden die Filialen arbeitsrechtlich nicht als zusammengehörig betrachtet, hat jetzt das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (LAG) entschieden.

Im konkreten Fall betrieb ein Ehepaar zwei Apotheken – wobei die Betriebe jeweils separat geführt wurden. In der Apotheke des Apothekers waren acht Angestellte beschäftigt, in der Apotheke der Ehefrau gab es sieben Arbeitnehmer. Da der Betrieb in den vergangenen Jahren immer schlechter lief und Verkaufsgespräche wegen der hohen Kosten nicht zum Erfolg geführt hätten, kündigte die Apothekerin einer seit 1997 beschäftigten PKA. Diese wehrte sich daraufhin vor Gericht.

Einerseits machte sie geltend, dass die Kündigung wegen des beabsichtigten Betriebsübergangs unwirksam nach § 613a Abs. 4 S. 1 BGB unzulässig sei. Andererseits falle ihr Arbeitsverhältnis unter den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes, da die beiden Apotheken in Summe mehr als zehn Mitarbeitende beschäftigten und auf Grund der engen Kooperation als Gemeinschaftsbetrieb im arbeitsrechtlichen Sinne einzustufen seien.

Gemeinsame EDV, gemeinsame Weihnachtsfeier

So würden die Preise und Arbeitsabläufe zwischen beiden Apotheken abgesprochen, Arbeitsanweisungen würden von beiden Chefs ausgesprochen, wobei der Apotheker im Team als „der große Chef“ bezeichnet werde. In beiden Betrieben werde eine gemeinsame Warenwirtschaft genutzt, was den Zugriff auf alle Daten der beiden Standorte ermögliche. Die Zugangsnummern seien dabei für die Mitarbeitenden beider Standorte fortlaufend vergeben.

Auf Flyern werde für beide Standorte geworben, dabei würden beide Betriebe als Partnerapotheken bezeichnet. Es gebe eine gemeinsame Kundenkartei; Kundenkarten könnten genauso wie Gutscheine somit in beiden Standorten genutzt werden. Auch ein Stempel der jeweils anderen Apotheke sei vorhanden.

Arzneimittel würden bei Engpässen aus der jeweils anderen Apotheke besorgt, Materialien würden gemeinsam eingekauft und Gegenstände etwa für die Rezeptur gegenseitig ausgeborgt. Botendienste übernehme ein Fahrer, der im Betrieb des Apothekers angestellt sei, für beide Filialen. Es gebe gemeinsame Weihnachtsfeiern, und in einzelnen Fällen sei das Personal jeweils auch in der anderen Apotheke eingesetzt worden.

Noch kein Gemeinschaftsbetrieb

Nach dem Arbeitsgericht Halle wies auch das LAG die Kündigungsschutzklage ab, da die vom Gesetz vorausgesetzte Betriebsgröße nicht erreicht sei: Selbst wenn man die Schilderungen der PKA stimmten, liege noch kein Gemeinschaftsbetrieb im arbeitsrechtlichen Sinne vor, sondern höchstens eine enge unternehmerische Zusammenarbeit.

Von einem gemeinsamen Betrieb wäre nur dann anzunehmen, wenn „die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zu einem einheitlichen technischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird“. Zumindest stillschweigend müssten sich die beiden Unternehmen zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben.

„Die einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten erstrecken“, heißt es im Urteil. „Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht. Vielmehr müssen die Funktionen des Arbeitgebers im Kern institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden.“

Vor allem ein „praktizierter arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz“ wäre laut Urteil entscheidend. Einen solchen habe die PKA aber nicht dargelegt, ihre Beispiele belegten vielmehr lediglich eine unternehmerische Zusammenarbeit zwischen Eheleuten. „Selbst wenn diese Zusammenarbeit hier erheblich enger erfolgt sein mag als allgemein üblich, ändert dies hieran nichts. Es gibt zwei Betriebsstätten.“

Absprachen nicht unüblich

Einerseits würden Dienstleistungen, Arzneimittel und sonstige Gegenstände einander ordnungsgemäß in Rechnung gestellt und nicht etwa als gemeinsame Betriebsmittel übergreifend verteilt. Andererseits seien Absprachen untereinander und die Weitergabe von Informationen – auch an Mitarbeiter – durch Eheleute nicht unüblich und belegten noch keine institutionalisierte Führung eines Gemeinschaftsbetriebes. „Selbst wenn je nach Persönlichkeit der Beteiligten für den einen oder anderen subjektiv ein anderer Eindruck entstehen mag.“

Weder bestehe eine gemeinsame Diensteinsatz- oder Urlaubsplanung, noch erfolge eine geplante arbeitgeberübergreifende Vertretung während der Urlaubs- und Krankheitszeiten. „Etwas Anderes ergibt sich auch nicht, wenn in Einzelfällen bei Personalnot schon einmal auf ausdrückliche Bitte hin Hilfe geleistet worden sein sollte. Diese einzelnen Fälle der Personalgestellung sind gerade nicht charakteristisch für den normalen Betriebsablauf.“

Auch die Behauptung, die Kündigung sei wegen des geplanten Betriebsübergangs unzulässig, habe die Vorinstanz bereits zurückgewiesen und dabei auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut verwiesen, wonach Kündigungen aus anderen Gründen selbstverständlich auch bei einem Betriebsübergang zulässig bleiben. Zu diesen anderen Gründen gehörten auch Anpassungen der Personalstruktur zur Steigerung der Verkaufsfähigkeit der Apotheke.

Mythos widerlegt

Laut Rechtsanwalt Fabian Virkus von der Treuhand Hannover, der die Apothekerin im Prozess vertreten hatte, ist die Entscheidung von Bedeutung, weil ihr zufolge für den Normalfall der unternehmerischen Zusammenarbeit von Apothekeninhabern – sei es zwischen Eheleuten, sei es in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder in einer Kooperation – entschieden wurde, dass weder der gemeinsame Einkauf noch die Durchführung von Botendiensten oder die vorübergehende Überlassung von Mitarbeitern dazu führen, dass die kooperierenden Apotheken als Gemeinschaftsbetrieb anzusehen sind.

Darüber hinaus sei erneut der immer wieder verbreitete Mythos widerlegt worden, dass Mitarbeiter während oder nach einer Apothekenübertragung nicht gekündigt werden dürfen. „Selbstverständlich bleiben Kündigungen zulässig, wenn sie gerade nicht im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang stehen, also insbesondere aus Verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen wie Fehlverhalten oder Aufgabe von Geschäftsbereichen. Insbesondere bleibt es zulässig, Personal abzubauen, um die Apotheke damit überhaupt verkaufsfähig zu machen.“

Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

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