Lieferengpässe frustrieren die Apothekenteams im Alltag. Nach einer eigenen Analyse des Ersatzkassenverbands vdek ist die Situation aber in Wirklichkeit deutlich weniger schlimm als gemeinhin angenommen. Vor allem seien die Rabattverträge der Krankenkassen nicht schuld an etwaigen Engpässen.
Bei 529 Arzneimitteln gab es laut einer Übersicht des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zuletzt Lieferengpässe. Der vdek verweist aber auf die Löschmitteilungen der Hersteller. Demnach waren etliche Arzneimittel nach dem Stichtag 29. September schon wieder lieferbar. Zieht man dann noch die vom Valsartan-Rückruf betroffenen Präparate ab, verblieben nur noch 156 Arzneimittel, so die Rechnung der Kassen.
Fazit: „Tatsächlich nicht lieferbar war von den gelisteten Medikamenten jedoch eine wesentlich geringere Zahl. Und: Bei keinem einzigen der nicht lieferbaren Medikamente waren die Arzneimittel-Ausschreibungen der gesetzlichen Krankenkassen der Grund für den Lieferengpass.“ Die vdek-Analyse widerleg damit „eine immer wieder vorgetragene Behauptung der Pharma-Lobby“.
Und überhaupt: Ein Großteil der vermeintlich betroffenen Präparate sei in anderen Packungsgrößen erhältlich gewesen, oder von einem anderen Hersteller verfügbar. Von den dann noch verbliebenen 89 Wirkstoffen habe für 69 kein Rabattvertrag der vorgelegen. Also wieder kein Zusammenhang mit den Ausschreibungen der Kassen. Letztendlich verblieben nach der Rechnung des vdek also 20 Wirkstoffe, deren Lieferschwierigkeiten von den Herstellern mit Produktionsproblemen begründet wurden.
„Die Behauptung, Lieferengpässe hätten mit den Arzneimittel-Ausschreibungen der Krankenkassen zu tun, entbehrt jeglicher Grundlage. Unsere Analyse belegt dies klar und deutlich. Tatsächlich helfen die Rabattverträge der Kassen, Lieferengpässe zu verhindern. Durch die vertraglichen Lieferverpflichtungen erhalten Arzneimittelhersteller eine bessere Planbarkeit, was letztlich die Liefersicherheit und damit die Versorgungssicherheit für die Patienten erhöht“, so vdek-Chefin Ulrike Elsner. Ein Lieferengpass bedeutet laut Elsner auch nicht, dass für der Patienten kein Medikament erhält. Oft gebe es Alternativen.
Dennoch sieht auch die Verbandschefin politischen Handlungsbedarf: „Lieferengpässe bei Arzneimitteln dürfen die Versorgung der Versicherten nicht gefährden.“ Elsner begrüßte ausdrücklich den kürzlich bekannt gewordenen Entwurf eines Positionspapiers des CDU-Gesundheitspolitikers Michael Hennrich. Das Papier enthalte einige gute Ansätze, um künftig Lieferengpässen besser vorzubeugen. Darunter den Aufbau einer nationalen Arzneimittelreserve sowie die Ausweitung beziehungsweise Verschärfung der bestehenden Meldepflichten.
Elsner sieht aber auch kritische Punkte in den Vorschlägen der Unionspolitiker: „Der Vorschlag, alle Krankenkassen gemeinsam und einheitlich zu regionalen Ausschreibungen zu verpflichten, ist jedoch kontraproduktiv“, so Elsner. Dadurch würde die Liefervielfalt reduziert und damit die Versorgungssicherheit verringert. „Gegen die Tendenz, die Produktion auf wenige Herstellerbetriebe weltweit zu konzentrieren, brauchen wir Lösungen in einem globalen oder europäischen Kontext“, sagte Elsner.
APOTHEKE ADHOC Debatte