APOTHEKE ADHOC Umfrage

Big Brother ist Apothekenrealität APOTHEKE ADHOC, 30.03.2016 11:45 Uhr

Berlin - 

Wie jeder Einzelhändler haben es auch Apotheker hin und wieder mit Menschen zu tun, die es nicht immer ehrlich meinen. Mal sind es die eigenen Mitarbeiter, mal die Kunden. Mal verschwinden Geldbeträge aus der Kasse, bei anderen wird in der Freiwahl viel geklaut. In der Not überwachen einige Kollegen ihre Offizin oder gar alle Betriebsräume mit einer Kamera – sie sind sogar in der Mehrheit.

71 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage von APOTHEKE ADHOC gaben an, ihre Betriebsräume mit Kameratechnik zu überwachen. Dabei filmen 55 Prozent nur die Offizin, 11 Prozent haben alle Betriebsräume inklusive Offizin im Visier. 3 Prozent überwachen die Eingänge, aber nur nachts. Jeweils 1 Prozent haben ihre Kamera entweder nur auf den BtM-Schrank oder auf die nicht-öffentlichen Bereiche gerichtet.

14 Prozent der Befragten gaben an, in ihrer Apotheke komplett ohne Kamerainstallationen auszukommen: „Ich bin gegen Überwachung.“ 12 Prozent glauben zwar an die abschreckende Wirkung von Überwachungskameras – unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Lage setzen sie aber nur auf Kameraattrappen. 5 Prozent machten keine Angabe. Vom 4. bis 6. März nahmen 148 Leserinnen und Leser von APOTHEKE ADHOC an der Umfrage teil.

Der Einsatz von Überwachungskameras ist umstritten: In jedem Fall müssen Apothekeninhaber den Datenschutz im Blick behalten. Ein Apotheker aus dem Saarland musste vier seiner fünf Kameras abbauen – nur den Betäubungsmittelschrank darf er weiterhin überwachen.

Der Apotheker hatte 2008 drei Kameras im Verkaufsraum seiner Apotheke angebracht. Nach der Übernahme hatte ein Gutachten ergeben, dass die Apotheke einen schlechten Ertrag hatte und der Schwund außergewöhnlich hoch war. Im Jahr 2011 soll es eine Lagerdifferenz von 44.000 Euro gegeben haben. Der Inhaber installierte daraufhin zwei weitere Kameras – eine in der Schleuse und eine im Bereich des BtM-Schranks. Die Mitarbeiter hatten eine Einverständniserklärung unterschrieben.

Der Datenschutzbeauftragte des Saarlandes hatte dem Apotheker im Sommer 2014 die Überwachung untersagt. Nur die Kamera in der Schleuse sei zulässig, wenn auf die Überwachung entsprechend hingewiesen werde. Im gegebenen Umfang sei eine Videoüberwachung aber nicht erforderlich, zumal die Umstände der Differenzen unklar geblieben seien. In der Einverständniserklärung der Mitarbeiter fehle eine konkrete Zweckbeschreibung für die aufgezeichneten Daten. Der Apotheker wies auf sein Hausrecht und die abstrakte Gefährdungslage hin und klagte gegen den Bescheid des Datenschützers.

Das Verwaltungsgericht Saarlouis gab in seinem Urteil vom 29. Januar beiden Seiten recht: Der Bescheid des Datenschützers war aus Sicht der Richter bezüglich der Videokameras im Verkaufsraum berechtigt. Im begrenzten Bereich des BtM-Schranks durfte der Apotheker dagegen wegen der Einverständniserklärung der Mitarbeiter filmen.

Grundsätzlich fällt die Überwachung unter das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Hinsichtlich der Kameras in der Offizin fehle es an der Einwilligung der Betroffenen – der Kunden. Filmen ist laut Urteil nur in einer konkreten oder zumindest abstrakten Gefährdungslage erlaubt. Dies sei im Einzelfall zu entscheiden. Maßgeblich seien etwa schwer einsehbare Geschäftsräume, Gegenden mit einer hohen Kriminalitätsdichte oder besonders wertvolle Waren.

Zwar kann sich ein Apotheker grundsätzlich auf sein Hausrecht berufen. Eine Überwachung muss dann im Einzelfall aber als geeignetes Mittel erscheinen, um etwa – wie in diesem Fall der Apotheker – die Fehlbestände zu reduzieren. „Er hat es aber unterlassen, den von ihm lediglich in der Summe zum Beispiel mit 44.000 Euro vorgetragenen Fehlbestand dezidiert zu erläutern und aufzuschlüsseln“, monierte das Gericht.

Die offene Videoüberwachung am BtM-Schrank ist laut Gericht hingegen datenschutzrechtlich zulässig. Dieser liege im nicht öffentlich zugänglichen Bereich der Apotheke, der nur dem Personal zugänglich sei. Durch die Videoüberwachung am BtM-Schrank werde nicht in so schwerwiegender Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter eingegriffen, dass deren Einwilligung mit der Rechtsordnung unvereinbar wäre. Wie bei der punktuellen Videoüberwachung der Schleuse, deren Betrieb der Datenschützer nicht untersagt habe, bestehe auch hinsichtlich des BtM-Schranks eine „generelle Ausweichmöglichkeit der Beschäftigten vor Videoüberwachung“.