Am 1. Oktober fallen die Preise. Die Kassen haben vier Festbetragsgruppen neu festgesetzt. Bei einigen Wirkstoffen und Kombinationen wird es ungemütlich.
2017 lief der Patentschutz für Anagrelid aus; seitdem sind zahlreiche Generika zum Original Xagrid auf dem Markt. Obwohl sich die Preise nahezu halbiert haben, hat der GKV-Spitzenverband jetzt einen Festbetrag festgesetzt: So zahlen die Kassen für die 100er-Packung à 0,5 mg künftig nur noch 236 Euro; der Originalhersteller Shire (vormals Takeda) müsste seinen Preis entsprechend um 57 Prozent senken.
Doch auch Ratiopharm und Hexal liegen deutlich über der neuen Erstattungsgrenze – als Vertragspartner der DAK hat sich Ratiopharm allerdings bereits verpflichtet, anfallende Mehrkosten zu übernehmen. Entsprechend wird der Konzern seine Preise sehr wahrscheinlich absenken, Lagerwertverluste drohen und müssen geltend gemacht werden.
Zahlreiche andere Generikahersteller liegen bereits auf dem Niveau des künftigen Festbetrags, darunter AbZ, Aliud, Betapharm, Bluefish, Glenmark, Heumann, Mylan, Puren und Zentiva. Achtung: Von mehreren Generikafirmen gibt es eine weitere Dosierung à 1 mg sowie eine weitere Packungsgröße à 42 Hartkapseln – hier drohen ebenfalls deutliche Preiskürzungen.
Anagrelid zählt zur Gruppe der Imidazolin-Verbindungen und verringert die Anzahl der im Knochenmark gebildeten Blutplättchen. Das soll zu einer deutlichen Verringerung der im Blut zirkulierenden Thrombozyten führen. Der Wirkstoff wird bei Risikopatienten eingesetzt, die an einer essenziellen Thrombozythämie leiden und ihre bisherige Behandlung nicht vertragen oder deren erhöhte Thrombozytenzahl nicht auf ein akzeptables Maß reduziert werden kann. Als Risikopatienten gelten Menschen, die über 60 Jahre alt sind, deren Thrombozytenzahl über 1000 × 109/l liegt oder die thrombohämorrhagische Ereignisse in der Anamnese aufweisen.
Seit 2018 gibt es auch Generika zu Procorolan (Servier) – Grund genug für die Kassen, jetzt einen Festbetrag einzuführen. Das Original liegt knapp 70 Prozent darüber, auch hier gibt es Generika mit Listenpreisen deutlich über Festbetrag: Ratiopharm muss seinen Preis fast halbieren, um eine Aufzahlung für die Patienten zu vermeiden – auch hier übernimmt der Hersteller im Rahmen des Rabattvertrags mit der DAK allerdings bereits die Mehrkosten.
Hexal und Mylan liegen mehr als 20 Prozent über Festbetrag, dasselbe gilt für das Generikum des Originalherstellers (Anpharm), für das Rabattverträge mit diversen BKKen existieren.
Die Erstattungsgrenze orientiert sich an den Preisen von anderen Generikaherstellern wie 1A, AbZ, Aliud, Aristo, Heumann, Klinge, Puren, TAD und Zentiva. Zur Erinnerung: Laut Sozialgesetzbuch (SGB V) muss bei der Festsetzung der Festbeträge darauf geachtet werden, dass mindestens 20 Prozent aller Verordnungen und Packungen ohne Mehrkosten erhältlich sind.
Ivabradin ist seit 2006 auf dem Markt und zur Behandlung von Erwachsenen mit symptomatischer stabiler Angina pectoris oder Herzinfsuffizienz mit einer Herzfrequenz von mindestens 70 beziehungsweise 75 Schlägen pro Minute indiziert. Das Arzneimittel steht in den Stärken 5 und 7,5 mg und drei Packungsgrößen (28, 56 und 98 Stück) zur Verfügung. Ivabradin zählt zu den If-Inhibitoren und hemmt selektiv und spezifisch den If-Kanal im Sinusknoten. Die Herzfrequenz wird gesenkt und der Sauerstoffbedarf des Herzens vermindert.
Ezetimib hemmt die Resorption von Cholesterol; neben dem Monopräparat Ezetrol (MSD Sharp & Dohme) gibt es Kombinationen mit drei verschiedenen Statinen. Diese sollen nun in einer gemeinsamen Festbetragsgruppe zusammengefasst werden – was für zwei Varianten das Aus bedeuten könnte.
Die Kombination mit Simvastatin, vom Originalhersteller unter dem Namen Inegy vertrieben, gibt es mittlerweile auch von zahlreichen Generika. Im zweiten Anlauf brachte Stada 2018 das Patent zu Fall. Erhältlich sind vier Wirkstärken – 10/10 mg, 10/20 mg, 10/40 mg und 10/80 mg – und zwei Packungsgrößen (30, 100 Stück). Während das Original preislich rund zwei Drittel über Festbetrag liegt und auch Ratiopharm deutlich darüber, müssen sich die meisten Generikahersteller keine Gedanken über die neue Preisgrenze machen. Lediglich bei kleineren Packungen drohen Preissenkungen.
Problematisch könnte es dagegen bei der Kombination aus Ezetimib und Atorvastatin werden, die in denselben Dosierungen und Packungsgrößen wie Inegy & Co. erhältlich ist. Neben dem MSD-Produkt Atozet gibt es nur die Lizenzprodukte Tioblis von Berlin-Chemie und Atorimib von Apontis (ehemals UCB Innere Medizin). Alle drei Produkte liegen zwischen 40 und 70 Prozent über Festbetrag – und werden, sofern die Hersteller ihre Preise nicht absenken, wohl nicht mehr für Kassenpatienten verschrieben werden können.
Ähnlich sieht es bei der Kombination von Etizimib und Rosuvastatin aus, die in drei Dosierungen (5/10 mg, 10/10 mg und 20/10 mg) und zwei Packungsgrößen (30 und 100 Stück) vertrieben wird. Mit Aristo, Elpen, Hexal und Ratiopharm gibt es vier Anbieter, die allesamt 60 Prozent über dem Festbetrag liegen. Auch hier haben die Unternehmen die Wahl, ihre Preise drastisch abzusenken oder auf Kassenpatienten zu verzichten.
Auch bei HIV-Medikamenten sollen die Preise sinken. Hier sind zwar teilweise Generika vorhanden, und diese werden teilweise auch in zusätzlichen Packungsgrößen angeboten. Doch den Patienten drohen teilweise drastische Aufzahlungen.
Bei der Kombination aus Tenofovirdisoproxil und Emtricitabin liegt das Originalpräparat Truvada (Gilead) mehr als zwei Drittel über dem künftigen Festbetrag. Daneben gibt es verschiedene Generika. Hier ist nur bei Heumann, TAD und Mylan mit Preissenkungen zu rechnen; andere Anbieter wie Aristo, Betapharm, Hexal, Hormosan, Ratiopharm, TAD und Zentiva liegen bereits auf dem von den Kassen gewünschten Niveau.
Kivexa (ViiV), die Kombination aus Abacavir und Lamivudin, ist ebenfalls rund 60 Prozent teuer als der Festbetrag. Hier gibt es zwar zahlreiche Generika – aber keine, deren Preise bereits dem Festbetrag entsprechen. Die meisten Firmen, darunter AbZ, Aliud, Aristo, Betapharm, Heumann, Hexal, Hormosan, Mylan, Puren und Ratiopharm müssten ihre Preise um rund die Hälfte senken, Basics und Glenmark immerhin um rund ein Drittel.
Die dritte Kombination – Tenofoviralafenamid plus Emtricitabin – ist überhaupt nicht generisch verfügbar. Das Original Descovy von Gilead müsste rund 40 Prozent billiger werden, um weiterhin ohne Aufzahlung für Kassenpatienten verordnet werden zu können.
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