Zahlreiche Touristen mussten ihren Silvesterurlaub auf der Nordseeinsel Juist unfreiwillig verlängern. Eisregen und Sturm legten Fähren und Flugzeuge lahm. Reisende steckten auf der Insel fest, Lebensmittel und Arzneimittel konnten kaum noch geliefert werden. Für die Seehund-Apotheke bedeutete das einen aufreibenden Start ins neue Jahr.
Heftiger Ostwind hatte nach Neujahr das Wasser zwischen der Insel und dem Festland zurückgedrängt. Die Fähre konnte nicht mehr fahren. Weder die Urlauber noch die 1500 Juister konnten die Insel verlassen. Auch Lieferungen von Medikamenten und Lebensmitteln wurden knapp.
Unregelmäßige Abfahrtszeiten kennt Maria Hrdina, Geschäftsführerin der Seehund-Apotheke. „Die Verbindung ist tiedenabhängig, nur bei Flut kann das Schiff fahren“, erklärt sie. Auch starker Ostwind komme immer mal wieder vor. „Normalerweise dauert es aber ein paar Tage, bis das Wasser ganz niedrig steht“, sagt sie. Doch zum Jahresanfang war es schlagartig weg: „Am Neujahrstag hatten wir noch 14 Grad und es war windstill – am zweiten Januar ging nichts mehr.“
Dazu kam anhaltender Eisregen. Flugzeuge konnten nicht mehr von Juist starten, die Insel war vom Festland abgeschnitten. Auch eine Drohne, die 2014 die Seehund-Apotheke im Rahmen eines DHL-Projekts mit Medikamenten belieferte, hätte unter diesen Bedingungen nicht fliegen können, sagt Hrdina. DHL hatte im Sommer 2014 auf der Insel Drohnenlieferungen im Rahmen eines Projekts für schwer zu erreichende Gebiete getestet.
Auf der Insel waren zum Jahresanfang deutlich mehr Menschen als sonst. „Besonders am Montag und Dienstag hatten wir zahlreiche Kunden“, berichtet Hrdina. Diese fragten vor allem nach Dauermedikationen, zum Beispiel Schilddrüsen- oder Blutdruckpräparaten. „Sie hatten damit gerechnet, die Insel früher wieder zu verlassen und hatten nicht genug Arzneimittel dabei“, sagt Hrdina.
Sie kennt die Tücken ihres Apothekenstandorts, deshalb hatte sie größere Mengen dieser häufig nachgefragten Mittel vorrätig. Dennoch mussten hin und wieder bei Verschreibungen improvisieren. Der Austausch sei mit Ärzten abgesprochen worden, so Hrdina. „Durch das Chaos hat sich die vergangene Woche eher angefühlt wie 14 Tage.“
Es gab in der Zeit auch einen Notfall: Auf den vereisten Straßen hatte sich jemand ein Bein gebrochen. Für solche Fälle gibt es auf der Insel einen Notcontainer, in dem der Patient versorgt wurde. Zudem hat die Insel ein Rettungsboot, das auch bei sehr niedrigen Wasserständen fahren kann.
Hrdina lobt den Umgang der Gemeinde mit der Situation: „Sie haben versucht, die Menschen möglichst schnell von der Insel zu bringen“, berichtet sie. Dazu seien kleine Boote eingesetzt worden, die mit wenig Wasser zurechtkommen. „Sie sind sogar mitten in der Nacht gefahren, um die Flut zu nutzen.“
Daher konnte die Apotheke selbst unter den schwierigen Bedingungen einige dringende Medikamentenlieferungen erhalten. In den Supermärkten seien frische Produkte wie Obst knapp geworden, so Hrdina. Die Touristen und Inselbewohner hätten sich aber gelassen gezeigt: „Dann nehmen wir eben eine Woche mehr Urlaub, haben sie gesagt“, erzählt sie. Nur wenige hätten sich geärgert, wichtige Termine auf dem Festland zu verpassen.
Inzwischen habe sich die Lage entspannt. „Jetzt haben wir wieder fast normalen Schiffsverkehr“, sagt Hrdina. Alle Touristen hätten die Insel mittlerweile verlassen können. Die Kutschen, das übliche Fortbewegungsmittel auf Juist, fahren aber noch nicht. „Es ist wegen des Eisregens zu glatt, die Pferde würden sich die Beine brechen.“ Hrdina kommt mit Spikes unter den Schuhen zur Apotheke. Zum Wochenende soll es wärmer werden; dann dürfte auf der Insel wieder der Alltag einkehren.
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