Studie der NRW-Apothekerkammern

Jede zehnte Kommune hat nur noch eine Apotheke

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Berlin -

Wenn die Apotheke im Ort zum „Solitär“ wird und der Nachwuchs fehlt, steht viel für Bürger die Gesundheitsversorgung auf dem Spiel. Eine Studie der Apothekerkammern Nordrhein (AKNR) und Westfalen-Lippe (AKWL) zeigt dringende Handlungsfelder auf.

Jede zehnte Kommune in Nordrhein-Westfalen verfügte im vergangenen Jahr nur noch über eine einzige Apotheke. Im Zehnjahresvergleich ist die Zahl der Ein-Apotheken-Kommunen um 52 Prozent angestiegen. Das geht aus einer Studie des Kölner Instituts für Handelsforschung (IfH) für die beiden Apothekerkammern hervor. Demnach gab es in NRW im vergangenen Jahr 41 Kommunen mit nur einer Apotheke – 2012 waren es 27. Immerhin habe es keine Kommune ganz ohne Apotheke gegeben, berichteten die Forscher in Düsseldorf.

Noch sei das Apothekennetz in NRW tragfähig, bilanzierte die AKWL-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening. „Es zeigen sich aber zunehmend einzelne schwächer versorgte Gebiete gerade in ländlichen beziehungsweise strukturschwachen Regionen.“

Apotheken als Grundversorger

Die Bevölkerung erwarte von den Apotheken vielfältige Dienstleistungen, bilanziert die Studie aus einer nach Angaben der Forscher repräsentativen Befragung. Von höchster Relevanz seien demnach neben Rezepten, Rezepturen, Akutversorgung, Beratung, Nacht- und Notdiensten inzwischen auch Liefer- und Botendienste.

„Insbesondere dort, wo Ärztemangel herrscht, wächst die Bedeutung von Apotheken für die gesundheitliche Grundversorgung“, stellte das IfH fest. Dazu zählten etwa auch Impfangebote oder Gesundheitstests.

91 Prozent der Befragten äußerten den Wunsch, „die Apotheke weiterhin als schnell und leicht zu erreichenden Ansprechpartner und Wegweiser im Gesundheitswesen“ zu erhalten. Ebenso viele unterstrichen die Bedeutung eines dichten Apothekennetzes. Die Forscher empfehlen unter anderem, das Image der Apotheken als regionale Grundversorger in den nächsten Jahren gezielt zu stärken. Zu klären sei, ob sie gegen Vergütung weitere Funktionen übernehmen könnten.

Löcher im Apothekennetz

Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Apotheken in NRW um rund 1000 oder 21 Prozent zurückgegangen – besonders stark seit 2012. In 52 Prozent aller Fälle waren seit 2012 Großstädte davon betroffen, nur in jedem zehnten Fall Kleinstädte. In ländlichen Gebieten seien Apothekenschließungen weniger auf den Wettbewerb zurückzuführen als vielmehr auf Nachfolgeprobleme und mangelnde Kaufkraft oder Nachfrage, stellte das IfH fest.

Die meisten Apotheken verloren zwischen 2012 und 2022 Essen (-37), Köln (-34), Recklinghausen (-29), Dortmund und der Rhein-Erft-Kreis (jeweils -27). Im Verhältnis zu ihrem Gesamtbestand war hingegen der Verlust in Hagen am höchsten: Die Stadt büßte jede dritte Apotheke ein (-16).

Im Schnitt versorgt jede der 3819 Apotheken in NRW 4694 Einwohner. Die Versorgungsquote von 21 Apotheken auf 100.000 Einwohner liegt im Bundesschnitt (22). Die beste Quote hat demnach Bad Laasphe im Wittgensteiner Land (45,0), die schlechteste Borchen im Kreis Paderborn (7,4). Jetzt müssten die öffentlichen Apotheken gestärkt werden, bevor Regionen unterversorgt seien, mahnte Overwiening.

Trotz der sinkenden Zahl an Apotheken sei die Zahl der dort Tätigen im Zehnjahresvergleich deutlich von knapp 31.000 (2012) auf gut 39.000 (2022) gestiegen, stellt die Studie fest. Dennoch sähen mehrere Studien für die kommenden Jahre ein Fachkräfte-Defizit. Nicht nur in den öffentlichen Apotheken, sondern auch in anderen Bereichen wachse der Bedarf an Pharmazeuten und damit der Wettbewerb deutlich.

20 offene Stellen pro Apotheker

„Bereits jetzt kommen auf einen suchenden Apotheker bis zu 20 offene Stellen“, berichtete AKNR-Präsident Dr. Armin Hoffmann. Viele Inhaber müssten am Ende ihres Berufslebens die Apotheke schließen, weil sie keinen Nachfolger fänden.

Deshalb müsse sowohl das Studium als auch der Arbeitsplatz attraktiver werden, stellt das IfH fest. Auf die Frage: Was könnte Sie dazu bringen, in einer öffentlichen Apotheke zu arbeiten?“, nannten anderweitig beschäftigte Kammermitglieder vor allem: besserer Verdienst (57 Prozent), flexiblere Arbeitszeitmodelle (45 Prozent), mehr wissenschaftliches Arbeiten (44 Prozent). Mehrfachantworten waren möglich.

Unfreundliche Kunden

Aus ihren Erfahrungen im praktischen Jahr machten die Pharmazeuten in der Befragung keinen Hehl: viel Stress, zu wenig Personal, nicht vergütete Überstunden und immer wieder unfreundliche Kunden, die „enttäuscht sind, warum wir nicht alle 2 Millionen Dinge, die auf dem Markt sind, vorrätig haben“, wurden wiederholt beklagt. „Dass es derart schlimm ist“ sei „absolut nicht abschätzbar“ gewesen, antwortete einer der Befragten. Ein Anderer bilanzierte: „Ich wollte eigentlich kein Bürohengst werden.“

Auf die Frage: „Was hält Sie aktuell davon ab, eine Filialleitung zu übernehmen?“ nannten befragte Kammermitglieder vor allem: zu hohe Arbeitsbelastung (51 Prozent), zu wenig Zeit – etwa für die Familie – (48 Prozent), finanziell nicht attraktiv (39 Prozent) und zu viel Bürokratie (37 Prozent). Mehrfachantworten waren möglich.

Derzeit wird die Filialleitung zu 74 Prozent von Frauen gestemmt. Unter den Beschäftigten der öffentlichen Apotheken ist die Teilzeit-Quote mit fast 50 Prozent laut IfH überdurchschnittlich hoch. Die Forscher empfehlen unter anderem, das Apothekenhonorar anzuheben, Anreize für Vollzeit zu schaffen, die Männerquote zu erhöhen und „die stille Reserve“ der derzeit nicht berufstätigen Pharmazeuten zum Wiedereinstieg zu motivieren.

Das Land setze sich „auf allen Ebenen für den Erhalt der öffentlichen Apotheke in der Fläche ein“, versprach NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Die 226 Seiten umfassende Studie liefere dafür wertvolle Aspekte.

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