Die „Geiz ist Geil“-Mentalität ist bislang weitgehend an den Vor-Ort-Apotheken vorbei gegangen – zumindest beim wichtigen Rx-Geschäft. Bei der Abgabe von rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist insbesondere für Kassenpatienten eigentlich kein Basarhandel möglich. Daher staunten die Mitarbeiter einer Apotheke in Baden-Württemberg nicht schlecht, als sie kürzlich den Brief eines langjährigen Stammkunden öffneten. Darin fordert dieser in höflicher Form eine Rückvergütung für seinen im vergangenen Jahr mit der Apotheke getätigten Umsatz.
Das neue Jahr nehme er gerne zum Anlass, „ganz herzlich“ für die gute und freundliche Betreuung Danke zu sagen, beginnt der Brief harmlos. Zu Jahresbeginn habe er Bilanz gezogen und sämtliche Umsätze mit den beiden Filialen des Apothekers aufgelistet, in denen er seit Jahren Stammkunde sei. In einer Apotheke habe er 4132,68 Euro Umsatz generiert und in der zweiten Apotheke nochmals 3045,06 Euro.
„Wie aus den Umsätzen sicherlich zu entnehmen ist, bin ich ein treuer Kunde Ihrer Apotheken und schätze Ihren Service durchaus“, leitet der Patient eloquent zu seinen Forderungen über: „Auch ich würde mich freuen, wenn Sie mich, als treuen Kunden, wertschätzen und mit einen Teil der von mir selbst verauslagten Kosten in Höhe von 786,53 € + 80,23 € zurückerstatten“. „In Erwartung auf eine weitere gute und gegenseitige Wertschätzung und Erwartung Ihrer baldigen Rückäußerung“, endet der Patientenbrief mit den üblichen freundlichen Grüßen.
So etwas hatte man in der Apotheke auch noch nicht erlebt. Die aufgeführten Umsätze kann man anhand der Patientenkartei nachvollziehen: „Das ist hauptsächlich Rx-Umsatz“, so der Apotheker. Wie sich die 786,53 Euro und die 80,23 Euro ergeben, die der Kunde selbst bezahlt haben will beziehungsweise die er zurückfordert, kann man sich aber nicht erklären.
„Wir wissen noch nicht, wie wir darauf reagieren sollen“, so der überraschte Apotheker in einer ersten Reaktion. Inzwischen hat er den Kunden zu einem persönlichen Gespräch eingeladen. Er will ihn fragen, was ihm persönliche Beratung wert ist, ihn über das Preissystem in der Apotheke und das Apothekenhonorar aufklären und auf die niedrigen Gewinnspannen hinweisen.
Ob das ungewöhnliche Rabattbegehren des Kunden in Zusammenhang mit der durch das EuGH-Urteil ausgelösten Diskussion über Rx-Boni durch ausländische Versandapotheken steht, weiß man in der Apotheke noch nicht. Bislang gibt es auch aus anderen Apotheken keine Hinweise auf solche Reaktionen. Stattdessen gibt es Berichte, dass die ABDA-Unterschriftenaktion gut läuft und viele Patienten unterschreiben.
Bei einer Umfrage von APOTHEKE ADHOC hatten Ende Oktober nur 4 Prozent geantwortet, es gebe nach dem EuGH-Urteil „knallharte“ Rabatt-Verhandlungen mit Patienten. Es gebe eher allgemeine Fragen zum Thema, gaben 41 Prozent an. 17 Prozent erklärten, es gebe „zynische Einlassungen“ und 12 Prozent sagten, es gebe bereits Kundenverluste.
Wenige Tage zuvor hatte im Oktober eine andere Umfrage von APOTHEKE ADHOC ergeben, dass sich Kunden regelmäßig in der Apotheke über zu hohe Preise beschweren. Die Apotheker müssen demnach Vergleiche mit dem Versandhandel über sich ergehen lassen.
Fast drei Viertel der Umfrageteilnehmer gaben an, ihren Kunden den Unterschied zu den Preisen von Versandapotheken zu erklären. 6 Prozent sind weniger geduldig: Sie bügeln das Thema direkt ab und lassen sich nicht auf Diskussionen ein. Weitere 7 Prozent haben angegeben, den Kunden sogar wegzuschicken.
9 Prozent dagegen sind verhandlungsbereit und senken den Preis etwas. Für manche Kunden lohnt sich die Beschwerde besonders: 5 Prozent akzeptieren den fremden Preis, den der Kunde ihnen nennt.
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