Kommentar

Jagd auf die Zombie-Apotheken

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Berlin -

Nicht jede Apotheke wird gebraucht. Das ist die harte Botschaft der Gutachter, die im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) das Apothekenhonorar unter die Lupe genommen haben. Der Ansatz, versorgungsrelevante Bestandteile in der Vergütung stärker zu betonen, ist nicht verkehrt. Wer allerdings den Markt mit so gravierenden Maßnahmen in nützliche und Zombie-Apotheken aufteilt, sollte sich seiner Sache sehr sicher sein, kommentiert Alexander Müller.

Noch liegt nicht die endgültige Fassung des Honorargutachtens in allen Details vor, weshalb sich die Apotheker ob möglicher Anpassungen noch keine allzu konkreten Sorgen machen müssen. Aber die grobe Richtung ist klar: Jede Leistung soll kostendeckend finanziert werden – und unter diesem Gesichtspunkt wird aus Sicht der Gutachter insgesamt zu viel Geld an die Apotheken gezahlt.

Selbst Pessimisten bei der ABDA hätten sich wohl nicht träumen lassen, dass sich die Diskussion über eine als überfällig empfundene Honoraranpassung am Ende um die Frage drehen könnte, wie viele Apotheken überflüssig sind. Oder welche.

Tatsächlich würde es diese Debatte gar nicht geben, sollten die vorgeschlagenen Maßnahmen so umgesetzt werden. Unter den neuen Vorzeichen würde eine große Anzahl an Apotheken einfach aus dem Markt gespült – für die Gutachter eine hinnehmbare Konsequenz. Aus Sicht der Patienten vielleicht weniger. Denn es ist sehr ungewiss, dass es sich bei allen Streichkandidaten um die fünfte Apotheke in der Fußgängerzone handeln würde. Vom deren Mitarbeitern ganz zu schweigen.

Dass sich die Politik mit einer offiziellen Veröffentlichung noch ziert und der Entwurf dem Vernehmen nach überarbeitet wird, erscheint angesichts einer groben Folgenabschätzung als plausibel. Es offenbart aber auch den politischen Charakter dieser Berechnung. Und wie hart man die Apotheker am Ende anfassen möchte, lässt sich nach wenigen Drehungen an den zahlreichen Stellschrauben sogar wunderbar rechtfertigen.

Das sieht man an einigen getroffenen Annahmen, die doch reichlich verkürzt wirken und damit nicht ganz zur Versorgungsrealität passen. Ein Beispiel: Der Beratungsaufwand bei Rx- und OTC-Produkten soll genau gleich groß sein. Da die Gesamthöhe der Vergütung aber nur dem Rx-Anteil am Absatz entsprechen soll, müsste das Fixum entsprechend gekürzt werden.

Angeblich beruht diese Einschätzung des Beratungsaufwands auf den Ergebnissen der Befragung von Apothekern. Herausgekommen ist in diesem Fall eine sehr vereinfachte Rechnung. Aber eine folgenreiche: Mit einer auch nur gering abweichende Annahme verschiebt man Millionen und nimmt Einfluss auf die Schicksale Tausender Patienten und Apothekenmitarbeiter.

Das ist nur ein Beispiel. Eine ebenso weitreichende Umstellung des Großhandelshonorars fußt unter anderem auf der Prämisse, zur Finanzierung des Warenbestandes entstünden nur vergleichsweise geringe Kosten. Die Großhändler sehen das möglicherweise anders.

Eine relativ akute Auswirkung dürfte das Gutachten auf das Rx-Versandverbot haben. Denn den Freunden der Apotheker wird der Boden unter den Füßen entzogen. Das ohnehin zuletzt vage Projekt dürfte jetzt noch schwerer zu verteidigen sein. Worum sich weder die Politik noch die ABDA in den kommenden Monaten wird drücken können, ist eine grundsätzliche Debatte über das Apothekenhonorar.

Es wäre gut, wenn eine Reform der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) zu mehr Gerechtigkeit führen und sich die Schere zwischen großen und sehr kleinen Apotheken wieder etwas schließen würde. Das ist bei der Abschaffung der rein preisgebundenen Vergütung im Jahr 2004 schon einmal gelungen. Es bleibt nur zu hoffen, dass der Gesetzgeber die Empfehlungen der Gutachter in diesem Lichte betrachtet, ohne sich jede vermeintlich exakte Berechnung zu eigen zu machen.

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