ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Ionenfischen online: PTA-Ausbildung ab sofort im Homeoffice

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Berlin -

Während in vielen deutschen PTA-Schulen hervorragende Ausbildungsbedingungen herrschen, gibt es auch die, die unterirdischer nicht sein könnten. Kaum Fachpersonal, viel zu große Klassen und kaputte wie veraltete Geräte und Materialien. Jetzt leistet eine Schule mit einem ausgeklügelten neuen Ausbildungskonzept Pionierarbeit: PTA werden auf eigene Kosten im Homeoffice!

Pünktlich um acht Uhr morgens beginnt für PTA-Schülerin Elvira Müller der Ausbildungsalltag – mit dem aufgeklappten Laptop in ihrer Küche. In den kommenden sechs Stunden hat sie das Fach physikalisch-chemische Übungen, unter PTA auch kurz „Chemie-Praktikum“ genannt. „Wir bekommen wöchentlich ein Paket für die praktischen Fächer zugeschickt, ein bisschen so wie bei einem Kochbox-Abo“, berichtet sie. Statt pfiffigen Gerichten stehen bei Müller allerdings Anionen-Nachweise – das sogenannte Ionenfischen – auf dem Plan. Sechs Proben muss sie auf Carbonat, Sulfid, Acetat & Co. überprüfen und im Anschluss an den Unterricht per Kurier an ihre Dozentin zur Überprüfung zurückschicken – auf eigene Kosten versteht sich.

Die Ausbilderin betreut bis zu 50 Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Jahrgänge im Praktikum gleichzeitig. Auf die Idee kam die Schule durch den anhaltenden Fachkräftemangel: Statt einer Vielzahl unterschiedlicher Lehrkräfte kümmert sich eine qualifizierte Person um den PTA-Nachwuchs von morgen. Aufgrund des anhaltenden Fachkräftemangels in Apotheken lasse sich an der Klassengröße laut Schulleitung leider nichts drehen. Außerdem müsse die Ausbildung ja auch irgendwie finanziert werden.

Da eine Renovierung und die Neuanschaffung der Geräte und Materialien dennoch viel zu kostspielig wären, ist nur der Arbeitsplatz der Dozentin ausgestattet. Die turnt ihren Auszubildenden Titrationen, Schmelzpunktbestimmungen und aufwändigere Dünnschichtchromatographien (DC) per Liveübertragung vor. Die Schülerinnen und Schüler absolvieren zu Hause nur das, was tatsächlich als zumutbar erachtet wird – und sich in eine Abo-Box stecken lässt.

Bei der Liveübertragung des Unterrichts herrschen sowohl eine Kamera- als auch Mikrofonpflicht, um die Ausbildung so authentisch wie möglich zu gestalten. Natürlich gibt es hierfür noch ganz andere Gründe: „Die Dozentin muss überprüfen können, ob wir alles richtig machen – und ob wir auch wirklich anwesend sind.“ Bricht die Verbindung ab – was bei der Vielzahl von Schülerinnen und Schülern immer wieder passiert – müssen die Auszubildenden ihre Versuche sofort unterbrechen und warten, bis die Verbindung wieder steht: „So wird garantiert, dass der Unterricht für uns alle sicher ist und im Zweifelsfall schnell die Rettung alarmiert werden kann.“

Natürlich läuft auch der theoretische Unterricht vollständig digital ab. Das spart nicht nur Kosten, sondern eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Statt aufwändiger Unterrichtsvorbereitungen können ganz einfach kostenlose Erklärvideos und Wikipedia-Einträge als Materialien eingesetzt werden. Das spart der einzigen Dozentin nicht nur Zeit, sondern ermöglicht es ihr auch, den jeweiligen aktuellen Ausbildungsstand ihrer zukünftigen PTA im Blick zu behalten. Nicht, dass nochmal versehentlich ein Schüler mit mangelhaften Noten durchgewunken wird!

Lieber doch Unterricht an der Schule?

Noch sind wir nicht an diesem Punkt. Noch. Doch Berichte einer ehemaligen PTA-Schullehrerin legen nahe: An der einen oder anderen Stelle wären angehende PTA mit einer solchen Ausbildungsvariante zu Hause vielleicht besser dran. Es fehle an Ausstattung, an Personal und die Klassen seien einfach viel zu groß. Deutlich besser sieht es da hingegen an der neuen PTA-Schule in Münster aus, freut sich die neue Schulleiterin und kann sich zudem nicht über ausbleibende Interessent:innen beklagen.

Nachwuchs braucht es dringend, attraktive Schulen sollten da die Basis sein. Doch welche Startmöglichkeiten die PTA dann nach ihrem Abschluss erwarten? Vielleicht arbeiten im Gesundheitsmarkt? Die Zukunft der vor Ort Apotheken steht immer noch in den Sternen. Getan hat sich diese Woche nichts. Es waren aber auch immer noch in einigen Teilen Deutschlands Herbstferien, Reformationstag und Allerheiligen – da darf man auch nicht zu viel erwarten. Dabei waren doch gerade die Berliner von beiden Feiertagen unberührt...

Bewegung bräuchte es eigentlich dringend für die Apotheken, sehen die Zahlen für das dritte Quartal 2024 doch schon wieder schaurig aus: 100 Apotheken weniger beklagen die Kammern und Verbände. Was zum Jahresende beziehungsweise zum 1.1.2025 noch dazukommt, mag man sich gar nicht ausmalen. Insolvente Apotheken werden da bald keine Seltenheit mehr sein. Aber jetzt haben wir immerhin November. Falscher Zeitpunkt für Depressionen. Obwohl...

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