Wenn ein Rezept die Apotheke verlässt, kann nur das Rechenzentrum noch Fehler korrigieren. Mitunter werden nach Rücksprache Probleme direkt behoben. Doch rechtlich sauber ist dieses Vorgehen womöglich nicht. Die Kassen sehen den Service kritisch. Auch die ABDA sieht die Gefahr von Retaxationen und hat ein Mahnschreiben an die Rechenzentren geschickt. Im Interview mit APOTHEKE ADHOC erklärt Stefan Mühr, Leiter Organisationsentwicklung beim ARZ Haan, warum er die Kritik nachvollziehen kann und warum Änderungen durch Dritte im Nachhinein für die Apotheker gefährlich werden können.
ADHOC: Die ABDA drängt die Rechenzentren, keine Rezeptkorrekturen mehr vorzunehmen. Was halten Sie von der Aktion?
MÜHR: Es ist für mich selbstverständlich, dass das von der ABDA so erwartet wird. Wir haben immer die Rechtsauffassung vertreten, dass das nicht in Ordnung ist. Deshalb wurden und werden bei uns keine Rezepte, Images oder Datensätze korrigiert. Offenbar hat es Hinweise an den GKV-Spitzenverband gegeben, dass das anderenorts gemacht wird. Deshalb halte ich die Ansage der ABDA für nachvollziehbar.
ADHOC: Wieso soll ein Rechenzentrum nichts korrigieren dürfen, wenn dies ausdrücklich im Auftrag des Apothekers geschieht?
MÜHR: Transparenz herzustellen, reicht nicht. Der Datensatz zur Abrechnung muss mit dem Originalrezept übereinstimmen, hier darf es also keine Abweichungen geben. Und eine Änderung des Rezeptes, des Datensatzes oder Images im Rechenzentrum könnte strafrechtlich relevant sein.
ADHOC: Würden andere Rechenzentren den Service offensiv bewerben, wenn die Rechtslage so klar wäre?
MÜHR: Im Wettbewerb stößt oft ein Anbieter mit einem Angebot vor und die anderen ziehen nach. Die Rezeptkorrektur ist meiner Meinung nach auch aus diesem Wettbewerbsdruck heraus entstanden. Beim ARZ hat man sich damals bewusst dagegen entschieden, kein solches Projekt zu starten – obwohl das technisch kein Problem darstellt. Wir haben übrigens auch dafür bezahlt: Kunden haben wegen dieser Frage zu anderen Rechenzentren gewechselt. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass das nach unserer Auffassung nicht den derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen entspricht.
ADHOC: Die aktuelle Entwicklung spielt Ihnen in die Karten, oder?
MÜHR: Wir haben unsere abweichende Rechtsauffassung nie für Werbung in eigener Sache genutzt, weil sich das nicht gehört. Aber jetzt ist das Thema auch bei der ABDA auf der Tagesordnung. Deshalb finde ich es richtig, die Apotheker auch auf die Risiken hinzuweisen.
ADHOC: Die Warnung der Kassen vor Null-Retaxationen bestätigen Sie darin?
MÜHR: Die Retax-Gefahr ist virulent, wenn es Abweichungen zwischen Datensatz und Rezept gibt. Am Ende wird vielleicht juristisch zu klären sein, was möglich ist. Die ABDA hat sich jedenfalls klar positioniert. Und die Rechenzentren müssen jetzt sehen, wie sie mit Kunden umgehen, die entsprechende Tools aktiv nutzen.
ADHOC: Und Sie lassen die Apotheker ohne Korrektur in Retaxationen laufen?
MÜHR: Wir bieten ebenfalls eine Prüfung der Rezepte an, aber mit einem anderen Verfahren: Die Apotheke liefert die Images dabei schon vor Einreichung der Rezepte an uns. Über eine gesicherte Schnittstelle werden die Daten in einem geschützten Intranet übertragen. Die Images werden dann von Mitarbeitern in unserem Haus geprüft. Das ist ein aufwändiges Verfahren, weil mehrere Datenstränge nebeneinander analysiert werden müssen.
ADHOC: Diesen Service bieten mehrere Konkurrenten auch an.
MÜHR: Das Verfahren ist kein Alleinstellungsmerkmal des ARZ, das ist richtig. Aber bei uns gibt es bewusst nur diese Variante. Es ist überhaupt keine Korrektur mehr möglich, sobald die Rezepte bei uns sind. Auf Wunsch schicken wir das Rezept an die Apotheke zurück, damit diese sich selbst um die Korrektur kümmert.
ADHOC: Ist das nicht viel zu aufwändig?
MÜHR: Ja, das ist richtig. Nicht nur unsere Kunden fänden es viel pragmatischer, wenn wir die Rezepte für sie korrigieren würden. Das Rechenzentrum würde ebenfalls Aufwand und Kosten sparen.
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