Kreditgebühren

„Es wird eine Klagewelle geben“

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Berlin -

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass sich Kreditnehmer ungerechtfertigte Gebühren von der Bank zurückholen können. Rechtsanwalt Guido Lenné aus Leverkusen hatte schon im Mai in Karlsruhe das Grundsatzurteil erstritten, dass Standardgebühren der Banken unzulässig sind. Im Interview erklärt der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, was das Urteil für Gläubiger und Banken bedeutet, wann die Verjährung eintritt und welche Kredite betroffen sind.

ADHOC: Was ist das Besondere an der BGH-Entscheidung?
LENNÉ: Der BGH hat von einem seltenen Mittel Gebrauch gemacht: Er hat die kenntnisabhängige dreijährige Verjährung für den Fall anerkannt, gleichzeitig aber entschieden, dass die Frist erst mit Ablauf des Jahres 2011 beginnt, da die Rechtslage vorher so undurchsichtig war.

ADHOC: Was heißt das für Kreditnehmer?
LENNÉ: Dass sie die Gebühren zurückfordern können. Wer zwischen 2005 und 2011 einen Kredit genommen hat, sollte unbedingt noch in diesem Jahr aktiv werden. Denn am 31. Dezember endet nach dem BGH-Urteil die Frist zur kenntnisabhängigen Verjährung. Da die absolute Verjährung zehn Jahre beträgt, können wir mit den Rückforderungen bis in das Jahr 2004 zurück. Diese absolute Verjährung läuft allerdings auf den Tag genau ab, es kommt auf das konkrete Datum an. Alles vor dem 29. Oktober 2004 kann also nicht mehr angegriffen werden.

ADHOC: Was müssen Gläubiger unternehmen?
LENNÉ: Entgegen der weit verbreiteten Annahme reicht ein einfacher Brief an die Bank nicht aus, um die Verjährung zu unterbrechen. Gläubiger können zum Beispiel ein Ombudsmannverfahren bei der Schlichtungsstelle des Bankenverbandes starten. Allerdings machen dabei nicht alle Banken mit. Der sicherste Weg ist, Klage gegen die Bank einzureichen. Damit ist die Verjährung unterbrochen.

ADHOC: Erwarten Sie jetzt viele Klagen?
LENNÉ: Ja, es wird eine richtige Welle geben. Allein unsere Kanzlei betreut noch mehrere hundert Fälle. Viele liegen schon bei Amtsgerichten und wurden bis zur BGH-Entscheidung ausgesetzt. Diese Verfahren werden jetzt alle wieder aufgenommen. Wir bieten auf unserer Homepage einen Musterbrief an, der seit der gestrigen Entscheidung schon 200 Mal heruntergeladen wurde.

ADHOC: Sind alle Banken betroffen?
LENNÉ: Diese Klauseln waren über viele Jahre so verbreitet, dass man davon ausgehen kann. Allerdings haben die Banken unterschiedlich schnell regiert, als sich abgezeichnete, dass sie mit den Gebühren Probleme bekommen würden. Viele haben erst im Jahr 2011 damit begonnen, ihre Verträge umzustellen. Es gibt aber auch Banken, die noch bis 2013 solche Klauseln in ihren Kreditverträgen hatten. Davon hängt natürlich die Frage der Verjährung ab.

ADHOC: Kann man ungefähr abschätzen, um welche Beträge es für die Bankbranche geht?
LENNÉ: Das ist schwierig. Stiftung Warentest hat einmal von 13 Milliarden Euro gesprochen, ich weiß allerdings nicht, wie diese Zahl zustande kam. Als Anhaltspunkt könnte man 2 Prozent des Gesamtkreditvolumens annehmen, denn die Gebühren bewegten sich in vielen Fällen zwischen 1 bis 3 Prozent.

ADHOC: Was ist mit individuell vereinbarten Gebühren?
LENNÉ: In den Verfahren vor dem BGH ging es um unwirksam formularmäßig vereinbarte Darlehensbearbeitungsgebühren. Dazu musste die Klausel nicht unbedingt in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank stehen, eine wiederkehrende Formulierung in vielen Verträgen reicht aus. Wenn über die Höhe der Gebühren jedoch verhandelt wurde oder sie im Gespräch konkret vereinbart wurde, ist sie nicht unwirksam und kann auch nicht zurückgefordert werden.

ADHOC: Betrifft die Entscheidung nur Privatpersonen, oder können beispielsweise Apotheker auch die Gebühren für ihre Unternehmerkredite zurückfordern?
LENNÉ: Bei der Frage der Unwirksamkeit der Klauseln hat sich der BGH auf Paragraf 307 BGB bezogen. Darin ist von „Vertragspartnern“ die Rede, nicht von Verbrauchern. Aus meiner Sicht gilt die Entscheidung auch für Unternehmerkredite und wir haben das in mehreren Fällen schon erfolgreich eingeklagt. Aber es ist richtig, dass sich der BGH dazu noch nicht geäußert hat.

ADHOC: War die Entscheidung zu erwarten?
LENNÉ: Unsere Kanzlei hat rund 2000 Verfahren zu Kreditvertragsgebühren betreut – wir kennen uns in der Materie also wirklich aus. Trotzdem hätte ich es nie gewagt, eine Prognose abzugeben. Der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof, Ulrich Wiechers, hat es auf den Punkt gebracht: Das ist die umstrittenste Frage unter Juristen seit Jahren. Es gab für beide Seiten gute Argumente.

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