Das Pick-up-Konzept „Vorteil24“ gibt es schon seit zwei Jahren nicht mehr. Die juristische Aufarbeitung läuft aber noch. Rechtsanwalt Dr. Stefan Eck von der Kanzlei Klaka aus München, der für die Wettbewerbszentrale ein Verfahren gegen „Vorteil24“ geführt hat, freut sich über die jüngste Entscheidung des Oberlandesgerichts München (OLG): Demnach wurden die Apotheker von der Prämienzahlung in unzulässiger Weise beeinflusst. Laut Eck hat das Urteil abseits von „Vorteil24“ Auswirkungen auf alle Apotheken.
ADHOC: Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte „Vorteil24“ doch schon über das Preisrecht versenkt. Warum ist das OLG-Urteil trotzdem wichtig?
ECK: Weil wir eine zweite Streitfrage geklärt haben: Neben dem Verstoß gegen die Preisbindung hat das OLG auch die Vertragsklauseln von „Vorteil24“ für unzulässig erklärt. Darin hatten sich die Apotheker verpflichtet, bei Kunden, die sich für das Modell entschieden haben, auf die Lieferung aus den Niederlanden zu warten, selbst wenn sie die Arzneimittel selbst vorrätig hatten. Für die Richter war entscheidend, dass der Apotheker eine Provision bekommt.
ADHOC: Warum ist das von Bedeutung?
ECK: Das Gericht hat aus meiner Sicht zutreffend erkannt, dass hier die Frage des Fremdbesitzverbotes berührt ist. Der Apotheker soll sich nicht veranlasst fühlen, bei seinen Entscheidungen Fremdinteressen zu berücksichtigen. Mit anderen Worten: Der Apotheker soll unabhängig bleiben.
ADHOC: Aber die Kunden konnten doch selbst entscheiden, ob sie über „Vorteil24“ bestellen wollten.
ECK: Vordergründig hat der Kunde selbst entschieden, aber der Apotheker musste das Konzept anbieten und hatte selbst ein Interesse, dass der Kunde auf sein Arzneimittel wartet. Ab einem Wert von 29 Euro hat es sich für den Apotheker gelohnt, die Arzneimittel nicht sofort selbst abzugeben. Es zählt aber zu den Aufgaben des Apothekers, mit zu entscheiden, ob eine Akutversorgung notwendig ist. Diese Entscheidung muss unabhängig fallen.
ADHOC: Und das war bei „Vorteil24“ nicht der Fall?
ECK: Wenn es für den Apotheker egal gewesen wäre, welchen Weg er einschlägt, hätte „Vorteil24“ nicht funktionieren können. Ohne Anreize geht so etwas nicht. Auch wenn der Gewinn im Einzelfall eher klein war; jedenfalls die Summe war geeignet, die Entscheidungsfreiheit des Apothekers zu beeinflussen. Das ist das Spannende an diesem Verfahren: Es ging nicht darum, ob der Patient in unzulässiger Weise beeinflusst wurde, sondern um den Apotheker.
ADHOC: Gilt das dann auch für jeden Einkaufsvorteil?
ECK: Wenn der Apotheker nur die Hoffnung, aber keinen Anspruch auf die Vergütung hat, ist eine Beeinflussung eher nicht zu sehen. Es kommt auf die Wahrscheinlichkeit im Einzelfall an. Mündliche Absprachen zählen allerdings dazu, im vorliegenden Fall waren die Prämien im Vertrag klar geregelt.
ADHOC: Hersteller belohnen Apotheker doch auch, wenn sie ihre Produkte verstärkt abgeben...
ECK: Da kann ich leider nur mir dem bekannten Satz der Anwälte antworten: Das kommt darauf an. Aber ganz grundsätzlich ist so etwas von Gesetzes wegen natürlich auch eher skeptisch zu sehen.
ADHOC: Was bedeutet das Urteil für die Praxis?
ECK: Das Urteil ist wichtig für die gesamte Vertragsgestaltung in der Zukunft. Die Apotheken werden zum Teil wohl auch künftig Kooperationen eingehen – auch um sich der Konkurrenz des Versandhandels zu erwehren. Sie dürfen sich aber nicht im Abhängigkeiten begeben. Dabei reicht schon die Gefahr, dass das Gesundheitsinteresse des Kunden gegenüber eigenen Interessen des Apothekers zurücksteht. Die Frage muss daher immer lauten: „Bin ich in diesem System fremdbestimmt?“
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