Interview Dr. Volker Herrmann

„Bei Abmahnung: Ruhe bewahren“

, Uhr
Berlin -

Wenn der Abmahnbrief in der Post ist, heißt es für Apotheker, kühlen Kopf bewahren. Dazu rät jedenfalls Rechtsanwalt Dr. Volker Herrmann von der Düsseldorfer Kanzlei Terhaag & Partner (aufrecht.de). Im Interview mit APOTHEKE ADHOC erklärt er, was besonders gern abgemahnt wird, warum Apotheker für Himalaya-Salz haften und wen sie auf keinen Fall anrufen sollten.

ADHOC: Was wird meistens abgemahnt?
HERRMANN: Sehr typisch sind Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG), irreführende Aussagen in der Werbung, aber auch falsche Preisangaben kommen häufig vor. Und ein Dauerbrenner sind natürlich Fehler im Impressum. Bei diesen Abmahnungen liegt oft der Verdacht nahe, dass es nicht um den Wettbewerb untereinander geht, sondern um die Abmahngebühren. Geringfügige Fehler im Impressum werden von Gerichten regelmäßig als Bagatellverstöße ohne wettbewerbsrechtliche Relevanz gewertet. Dass jetzt viele Apotheker beispielsweise ihre Berufshaftpflicht im Impressum angeben, obwohl dafür keine Verpflichtung besteht, könnte man als Nachlass der Abmahnungen der Brücken-Apotheke sehen.

ADHOC: Wie ist der aktuelle Stand bei den Abmahnungen im Fall Brücken-Apotheke?
HERRMANN: Bei den Staatsanwaltschaften Leipzig und Heilbronn sind zahlreiche Strafanzeigen eingegangen. Die Ermittler sind hoffentlich aktiv geworden und haben beide, also den Apotheker und seinen Anwalt, vernommen und gegebenenfalls Unterlagen beschlagnahmt. Denn wenn eine Sache so offensichtlich von langer Hand geplant war, muss es Absprachen gegeben haben. Wenn nach den Ermittlungsergebnissen klar ist, wer bei der Aktion federführend war, könnten betroffene Apotheker denjenigen auf Schadensersatz verklagen bezüglich ihrer eigenen Anwaltskosten. Wir werden im Frühjahr Akteneinsicht nehmen und sehen, wie weit die Ermittlungen sind.

ADHOC: Wann ist eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich?
HERRMANN: Das sehen die meisten Gerichte leider sehr streng. Es gibt keinen gesetzlichen Tatbestand, die Rechtsprechung hat verschiedene Kriterien entwickelt, die aber von Gericht zu Gericht unterschiedlich ausgelegt werden. Jeder Richter hat da so seine eigene Schwelle.

ADHOC: Himalaya-Salz war zuletzt auch so eine Abmahnfalle. Wieso haften Apotheker für alles in der Software?
HERRMANN: Die Begründung der Gerichte ist einfach: Apotheker können geschäftlichen Nutzen aus jedem einzelnen Produkt ziehen – deshalb sollen sie auch für alles haften. Aus meiner Sicht geht das zu weit, da kein Apotheker diese riesige Datenbank überprüfen kann.

ADHOC: Was wäre die Lösung?
HERRMANN: Sinnvoll wäre eine Haftung ab Kenntnis. Wenn der Apotheker informiert wird, dass ein Produkt problematisch ist und es trotzdem weiter anbietet, müsste er juristisch dafür gerade stehen – aber eben erst dann. Im Buchhandel gibt es schon eine entsprechende Entscheidung: Für Fehler im sogenannten Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB) haftet nicht der einzelne Buchhändler, beispielsweise bei Rechtsverletzungen im Titel. So müsste es beim Himalaya-Salz im Grunde auch sein.

ADHOC: Wieso ist das juristisch noch nicht geklärt?
HERRMANN: Das Oberlandesgericht Hamburg hat den Apotheker in einem Verfahren über ein Nahrungsergänzungsmittel in der Haftung gesehen. Der Fall ging aber nicht vor den Bundesgerichtshof, weil der Streitwert zu klein war. Wir müssen nun auf eine BGH-Entscheidung in dieser Frage hinarbeiten. Meiner Meinung nach müssten die Apothekerverbände einen Apotheker unterstützen und einen Musterprozess führen. Denn für den Verkauf von Himalaya-Salz wird kein Apotheker die Gerichtskosten in allen Instanzen auf sich nehmen wollen.

ADHOC: Ob es bei jeder Abmahnung sinnvoll ist, einen Anwalt einzuschalten, muss man einen Anwalt vermutlich nicht fragen…
HERRMANN: Eine Alternative könnte die Rückfrage beim Justiziar der Kammer oder des Apothekerverbandes sein, ob ähnliche Fälle schon aufgetreten sind. Wenn man einen Anwalt einschaltet, sollte es bei Wettbewerbsstreitigkeiten möglichst auch ein Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz sein.

ADHOC: Was sollten Apotheker nicht tun?
HERRMANN: Ich erlebe es relativ häufig, dass Apotheker den vermeintlichen Verstoß sofort beheben, wenn sie abgemahnt werden: Produkte werden aus dem Webshop entfernt oder gleich die ganze Seite abgeschaltet. Für den Anwalt ist es dann unmöglich, den Angriff zu bewerten. Deshalb: Ruhe bewahren. Nicht alles, was abgemahnt wird, ist wirklich kritisch. Tatsächlich sind Abmahnungen in der Hälfte der Fälle unbegründet. Innerhalb der gesetzten Frist erwachsen dem Apotheker keine Nachteile, wenn er nicht sofort reagiert. Ich rate auch dringend davon ab, die gegnerische Kanzlei anzurufen, weil jedes Wort im Verfahren später Nachteile bringen kann.

ADHOC: Was ist mit einem Anruf beim Kollegen, wenn ein Apotheker hinter der Abmahnung steht?
HERRMANN: Das mag im Einzelfall funktionieren. Aber die Chance, dass der Kollege vernünftig mit sich reden lässt, ist wohl meistens nicht besonders groß. Immerhin hat er selbst schon einen Anwalt eingeschaltet und damit eine gewisse Schwelle übersprungen.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Strategien für einen höheren Rohertrag
Preisberechnung: Was bleibt für Apotheken übrig?
Neuer Partner für Firmengründer
CGM: CVC legt Angebot vor
Mehr aus Ressort
Mit 71 weiter in der Apotheke
„Mein Leben mit der Insolvenz“

APOTHEKE ADHOC Debatte