Interview Georg Heßbrügge (Apobank)

„Jede fünfte Apotheke macht keinen Spaß“

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Berlin -

Die Zahl der Apotheken ist seit 2009 um mehr als 5 Prozent zurückgegangen – und der Trend wird sich fortsetzen. Davon ist Georg Heßbrügge, Direktor Gesundheitsmärkte und -politik bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank), überzeugt. Aus seiner Sicht wird nicht nur die Zahl der Betriebsstätten, sondern auch die der selbstständigen Apotheker weiter sinken. Er sieht die Standesvertretung in der Verantwortung, junge Menschen als Apothekenleiter zu gewinnen.

ADHOC: Gibt es ein Apothekensterben?
HEßBRÜGGE: Nein, von der Anzahl her ist das noch nicht die Masse, dass von einem Sterben die Rede sein könnte. Ich würde eher von einer Marktbereinigung sprechen. Eine ganze Reihe von Betriebsstätten macht wirtschaftlich keinen Spaß: 20 bis 25 Prozent haben einen Überschuss, der aus wirtschaftlicher Sicht zu gering ist.

ADHOC: Schließen vor allem Apotheken auf dem Land oder in Städten?
HEßBRÜGGE: Da gibt es keine Tendenz. Das ist auch eine Frage der ärztlichen Versorgung: Apotheken im ländlichen Raum stehen häufig erst einmal gut da. Aber wenn der letzte Arzt das Licht aus macht, sperrt die Apotheke auch zu. Das ist aber nicht der Hauptgrund für Schließungen, der liegt vor allem in Standorten, die nicht rentabel sind.

ADHOC: Wie wird sich die Apothekenzahl entwickeln?
HEßBRÜGGE: Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Betriebsstätten weiter zurückgeht und unter 20.000 fällt. Wir schätzen, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre 1000 bis 1500 Apotheken schließen. Unter den verbleibenden 19.000 Betriebsstätten wird die Zahl der Filialen deutlich steigen, von derzeit 4000 auf 5000. Das ist ein Anstieg von 25 Prozent. Das bedeutet, dass es dann noch etwa 14.000 wirtschaftlich selbstständige Apotheker gibt.

ADHOC: Kann dann noch die Versorgung sichergestellt werden?
HEßBRÜGGE: Von einer Gefährdung der Versorgung können wir in Deutschland auf keinen Fall reden. Allerdings will die junge Generation weniger lange arbeiten – das Versorgungsäquivalent, so nenne ich es, ist somit geringer als früher. Dem steht aber eine steigende Nachfrage einer alternden Gesellschaft entgegen. Perspektivisch kann es zu einem Fachkräftemangel und in Einzelfällen doch zu Herausforderungen in der Versorgung kommen. Mittelfristig sind das aber keine Probleme, die man mit „Versorgungsengpass“ überschreiben könnte. Wichtig ist die regionale Beurteilung: Wenn es auf dem Land ohnehin einen Bevölkerungsrückgang gibt, relativieren sich auch Apothekenschließungen.

ADHOC: Warum sehen Sie so einen deutlichen Rückgang bei den Apothekenleitern?
HEßBRÜGGE: Es gibt keine Signale für eine Trendumkehr: Bei den Apotheken gibt es so gut wie keine Neugründungen, sondern vor allem Übernahmen. Jährlich suchen rund 600 Apothekenbetriebe einen Nachfolger und nur jeder zweite Inhaber findet einen Käufer. Bei der Existenzgründung – egal ob Neugründung oder Übernahme – waren Männer zuletzt durchschnittlich 36 Jahre alt, Frauen 39 Jahre. Früher waren die Gründer jünger.

ADHOC: Warum sind junge Pharmazeuten heute zögerlicher?
HEßBRÜGGE: Wir leben in einer Zeit, in der junge Heilberufler die Möglichkeit zur Selbstständigkeit weniger nutzen als in der Vergangenheit. Für sie ist der wichtigste Wert Sicherheit – das Unternehmertum ist für sie aber mit Risiko verbunden. Wenn sie eine Apotheke in einem Ort gründen, stellt sich für sie auch die Frage, ob sich dort ein Job für den Partner und eine Schule für die Kinder findet. Die Jungen wollen sich viele Möglichkeiten offen lassen und suchen vor allem auch eine Work-Life-Balance.

ADHOC: Diesen Trend gibt es doch in allen Berufen, nicht nur bei Apothekern...
HEßBRÜGGE: Aber was mich nachdenklich stimmt: Wie wird aus den Berufsständen heraus kommuniziert, um junge Menschen von ihrem Beruf in der wirtschaftlichen Selbstständigkeit zu überzeugen? Hier sollte weniger über Bürokratie oder mangelnde Honorierung gesprochen werden, als mehr über Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten, um junge Heilberufler zu gewinnen. Aber das ist bei den Ärzten dasselbe. Es fehlen häufig positive Vorbilder.

ADHOC: Was könnten Vorbilder ausrichten?
HEßBRÜGGE: Junge Heilberufler sorgen sich vor allem um das finanzielle Risiko und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aber genau da bestehen falsche Vorstellungen: Wir können belegen, dass gut beratene Existenzgründungen fast ausschließlich wirtschaftlich erfolgreich sind. Und Apothekenleiter bestätigen, dass sich Familie und Beruf in der Selbstständigkeit sogar besser vereinen lassen. Das zeigt, dass wir besser über diese beiden Faktoren aufklären und junge Menschen unterstützen müssen.

ADHOC: Noch ein Blick in die nahe Zukunft: Wie wird sich der Umsatz 2015 entwickeln?
HEßBRÜGGE: Die Marktspreizung wird anhalten. Wie in den Vorjahren werden zwei Drittel der Apotheken ein Umsatzplus verbuchen und ein Drittel Umsatzrückgänge. Insgesamt wird es relativ geringe Umsatzzuwächse geben, durch ein Mehr an Packungen und teurere Arzneimittel. Dem stehen allerdings Kostensteigerungen gegenüber, sodass am Ende eine schwarze Null steht.

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