Interview Dr. Elmar Mand

„Fällt die Preisbindung, fällt sie auf allen Ebenen“

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Berlin -

Nicht weniger als das System der Preisbindung steht am kommenden Donnerstag zumindest indirekt auf dem Spiel, wenn der Europäische Gerichtshof (EuGH) über Rx-Boni ausländischer Versandapotheken verhandelt. Der Arzneimittelrechtsexperte Dr. Elmar Mand ist aber zuversichtlich, dass die deutsche Regelung Bestand haben wird. Im Interview mit APOTHEKE ADHOC erklärt er, warum DocMorris & Co. aus seiner Sicht keinen Anspruch auf Besserstellung haben und wie er argumentieren würde, um „das Spiel nach Hause zu bringen“.

ADHOC: Was haben wir vom EuGH-Verfahren zu erwarten?
MAND: Ich halte es für vertretbar, die Bindung ausländischer Versandapotheken an die deutsche Arzneimittelpreisverordnung als Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit anzusehen. Der EuGH tut dies offenbar auch – wenn Ihre Information zutrifft, dass sich die Parteien auf die Frage konzentrieren sollen, wie die Beschränkung zu begründen ist. Es entspricht auch der Rechtsprechung der vergangenen Jahre, dass die Schwelle für einen Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit bei Mindest- und Festpreisen nicht besonders hoch ist. Insofern sind das ausgetretene Pfade, auf denen wir uns bewegen.

ADHOC: Sind die Apotheker damit im Nachteil?
MAND: Das würde ich nicht sagen. Da die Anforderungen an die Rechtfertigung in Relation zur Eingriffstiefe stehen, kann eine niedrige Eingriffsschwelle unter Umständen zu geringeren Rechtfertigungsanforderungen führen. Die Frage ist, wie schwer die Ungleichbehandlung ausländischer Versandapotheken wiegt. Rechtlich werden sie nicht unterschiedliche behandelt – von der Preisbindung sind alle Anbieter unterschiedslos betroffen. Auch eine tatsächliche stärkere Betroffenheit muss man schon konstruieren. Damit ist der Eingriff aus meiner Sicht jedenfalls nicht so schwerwiegend. Entsprechend niedrig sind die Hürden für eine Rechtfertigung anzusetzen.

ADHOC: Warum sollte der EuGH überhaupt eine stärkere Betroffenheit annehmen?
MAND: Möglicherweise will man den Mitgliedstaaten keinen „Persilschein“ für nationale Preisregelungen ausstellen. Dazu kommt, dass die EU-Kommission sich sehr kritisch zur Preisregulierung in Deutschland geäußert hat. Ich erwarte eine umfassende Analyse des Einzelfalls durch den EuGH, die im Lichte des mitgliedstaatlichen Beurteilungsspielraums zu Gunsten der deutschen Regelung ausgeht.

ADHOC: Wie ist die Preisbindung denn zu begründen?
MAND: Die Preisbindung hat viele Zwecke. Unter anderem dient sie – anstelle der in vielen anderen Staaten üblichen geografischen und demografischen Niederlassungsbeschränkungen für Apotheken (Apothekenkonzessionen) – der Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit pharmazeutischen Dienstleistungen.
Man darf das System der Preisbindung zudem nicht isoliert betrachten. Es ist ein Bestandteil der komplexen Gesamtregulierung des Arzneimittelmarktes, insbesondere im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Apotheken sind heute Wirtschaftlichkeitsdienstleister der Krankenkassen. Ihre Befugnisse und Pflichten zum Austausch verschriebener Arzneimittel sind zum Beispiel überaus weitreichend. Das kann nicht mehr funktionieren, wenn etwa über Höchstpreise eigene ökonomische Interessen in den Vordergrund rücken.

ADHOC: Die Regelungen zu Aut-idem oder den Rabattverträgen könnten doch bleiben.
MAND: Es würde ja nicht bei einer Freigabe des Endverkaufspreises bleiben. Wenn die Preisbindung fällt, fällt sie auf allen Ebenen der Vertriebskette. Ich bezweifele, dass das OLG Düsseldorf die Tragweite seiner Entscheidung erkannt hat, als es seine Fragen in Luxemburg vorgelegt hat. Wenn die Abgabe eines bestimmten Arzneimittels – zum Beispiel aufgrund hoher Einkaufsvorteile – für den Apotheker wirtschaftlich attraktiver, für die Kasse aber teurer ist, wird das zu Umgehungsstrategien führen. Man kann einen Markt nicht gegen die wirtschaftlichen Interessen der Regulierten regulieren, das wird nie funktionieren.

ADHOC: Sie haben sich festgelegt: Die Preisbindung hält?
MAND: Als positives Zeichen sehe ich, dass die kleine Kammer des EuGH die Sache verhandelt. Wollte das Gericht so weitreichende Änderungen vornehmen wie eben skizziert, hätte sich vermutlich die Große Kammer mit der Preisbindung befasst.

ADHOC: Sie sind sich da sehr sicher.
MAND: Ich bin überaus zuversichtlich, dass die deutsche Regelung hält. Alles andere wäre eine große Überraschung. Natürlich weiß man vorher nie hundertprozentig, wie so ein Verfahren läuft und wie das Gericht entscheidet. Eine geschickte Prozessführung gehört immer dazu. Die Ausgangssituation ist meines Erachtens exzellent, aber man muss das Spiel auch nach Hause bringen – das ist wie im Fußball.

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