Interview Dr. Morton Douglas (Teil 2)

Retax folgt auf Strafanzeige

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Berlin -

Apotheken dürfen aus Sicht von Dr. Morton Douglas auch unter dem geplanten Anti-Korruptionsgesetz Skonto vom Großhändler erhalten und Ärzten Mietzuschüsse gewähren. Der Rechtsanwalt von der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen erklärt im zweiten Teil des Interviews mit APOTHEKE ADHOC, was bei einer Strafanzeige droht und wieso es bei der Belieferung von Pflegeheimen aktuell vielleicht noch eine Strafbarkeitslücke gibt.

ADHOC: Was bringt Apothekern das Anti-Korruptionsgesetz?
DOUGLAS: Ein Apotheker, der den Verdacht hat, dass zum Beispiel sein Kollege eine unrechtmäßige Vereinbarung mit dem Dialysezentrum getroffen hat und von dort die Verschreibungen erhält, kann künftig Strafanzeige stellen. Ist der Verdacht nicht aus der Luft gegriffen, müssen die Strafverfolgungsbehörden dem nachgehen – bis hin zu Durchsuchungen.

ADHOC: Mit welchen Folgen?
DOUGLAS: Als Geschädigter kann der Apotheker Akteneinsicht verlangen und so an Informationen gelangen, die unter der jetzigen Gesetzeslage kaum zu beschaffen sind. Diese Informationen können – unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens – bei zivilrechtlichen Ansprüchen verwendet werden, bis hin zum Schadenersatz. Theoretisch können sogar Krankenkassen die Daten nutzen, wenn sie diese bekommen.

ADHOC: Wozu nutzen?
DOUGLAS: Die Kasse könnte überlegen, die Erstattung der entsprechenden Rezepte zu verweigern, wenn ein Verstoß gegen das Zuweisungsverbot bewiesen ist. Eine unzulässige Zusammenarbeit kann zu einer Kürzung der Ansprüche führen, die sozialrechtliche Sanktion ist dann in aller Regel die Retaxation. Laut Sozialgesetzbuch können Leistungserbringer in schwerwiegenden Fällen sogar für zwei Jahre von der Versorgung ausgeschlossen werden.

ADHOC: Werden sich in Zukunft Apotheker ständig gegenseitig anzeigen?
DOUGLAS: Ich gehe davon aus, dass der ein oder andere Kollege, der sich benachteiligt fühlt, diesen Weg gehen wird. Mit welchem Erfolg, bleibt abzuwarten. Auch die Aufgreifschwelle der Staatsanwaltschaften muss sich erst noch einpendeln, da es sich um einen neuen Straftatbestand handelt. Ob ein Apotheker tatsächlich einen Arzt anzeigt, wenn sie weiterhin im selben Ort tätig sein wollen, ist eine andere Frage. Aber rechtlich haben die Beteiligten künftig andere Möglichkeiten.

ADHOC: Reicht ein Verdacht für eine Strafanzeige?
DOUGLAS: Es sollte schon aufgrund der Gesamtumstände plausibel gemacht werden, dass eine Unrechtsvereinbarung vorliegt. Eine Strafanzeige ins Blaue hinein geht nicht. Wer wider besseren Wissens jemand anderen beschuldigt, macht sich sogar selbst strafbar. Aussagen von Patienten sind hilfreich, konkrete Anhaltspunkte, dass beispielsweise Verschreibungen zurückgehalten werden, damit sie direkt an eine Apotheke fließen.

ADHOC: Sitzen in einem Jahr Apotheker im Gefängnis?
DOUGLAS: Davon gehe ich nicht aus, da hierfür die Strafandrohung nicht schwer genug ist. Geldstrafen dürften eher zu erwarten sein, in schweren Fällen Bewährungsstrafen. Viel schwerer wiegt die automatische Weiterleitung des Verfahrens an die Standesorganisationen und etwaige berufsrechtliche Verfahren. Die Aufsicht kann zudem die Zuverlässigkeit des Apothekers anzweifeln, wenn dieser rechtskräftig verurteilt ist. Und je nachdem, wie gut der Apotheker gelitten ist, kann es dann um die Zulassung gehen.

ADHOC: Was ist mit Verträgen des Apothekers, etwa zur Belieferung von Pflegeheimen?
DOUGLAS: Das kostenlose Verblistern für Pflegeheimen wäre nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes ein unlauterer Vorteil, wenn sich die Apotheke auf diese Weise den Heimversorgungsvertrag und damit die Rezepte sichert. Ich sehe keinen Grund, warum ein solches Verhalten künftig nicht unter Strafe stehen sollte. Im Gesetzentwurf scheint es allerdings eine Strafbarkeitslücke zu geben.

ADHOC: Inwiefern?
DOUGLAS: Der Apotheker nimmt nicht selbst einen Vorteil an, sondern gewährt diesen gegenüber einem „Nicht-Heilberufler“, in diesem Fall dem Pflegeheimleiter. Im Strafrecht ist der Wortlaut des Gesetzes die Grenze und es ist fraglich, ob eine solche Vereinbarung erfasst wäre. Hier könnte darüber nachgedacht werden, zu ergänzen, dass Apotheker und Ärzte im Rahmen ihrer Berufsausübung auch gegenüber bestimmten Dritten, die Einfluss auf das Verhalten von Patienten nehmen können, keine Vorteile gewähren dürfen.

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