Wie Schäuble fast die Apotheken-EDV zerstört hätte APOTHEKE ADHOC, 27.06.2016 10:13 Uhr
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will Manipulationen an der Kasse unmöglich machen. Sein Ressort hat eine zweite Fassung des Gesetzentwurfs vorgelegt. Laut Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger wurde eine zentrale Änderung vorgenommen, ohne die die Apotheken massive Probleme bekommen hätten.
ADHOC: Was bedeutet Schäubles neues Gesetz für die Apotheken?
BELLINGER: Die Kassen sollen manipulationssicher werden. Am Anfang steht dabei das Warenwirtschaftssystem (WWS). Von diesem werden Daten in ein Sicherungsmodul geleitet, das selbst aber kein Speichermedium ist. Dieses Modul verpackt die Daten manipulationssicher. Der Datensatz kann nachträglich nicht mehr geändert werden, ohne dass das Spuren hinterlässt. Von dem Sicherungsmodul laufen die verpackten Daten dann zu einem Speichermedium – im Zweifel dem Server in der Apotheke. Der wiederum muss eine Schnittstelle für eine Datenabfrage des Finanzamtes haben. Das wird im Zweifel dann über einen USB-Ausgang laufen.
ADHOC: Und was war nun so schlimm an den bisherigen Plänen?
BELLNGER: Im alten Entwurf war offen, ob das Sicherungsmodul Teil des WWS sein würde oder nicht. Diese Entscheidung war dort offen gelassen. Ich bin im Auftrag des Bundesverbands Deutscher Apotheken-Softwarehäuser (ADAS) gegen diese Entwurfsfassung beim Bundesfinanzministerium (BMF) Sturm gelaufen und habe die ADAS Ende Mai auch beim Fachgespräch im Ministerium vertreten. Wir haben das BMF im Vorfeld ganz konkret darauf hingewiesen, dass ein solches Gesetz bei den Apotheken nicht funktionieren kann.
ADHOC. Warum das?
BELLINGER: Weil der automatische Wegfall des Zertifikats bei Änderung einer Verarbeitungslogik bei Apotheken monatlich eintreten würde. Ab dem 1. Februar 2019 hätte die komplette Arzneimittelversorgung in Deutschland stillgestanden, weil mit dem Wegfall des Zertifikats die Nutzung der Software zwingend bußgeldbewährt verboten wäre. Das Perfide: Das wäre nicht durch Bescheid erfolgt, sondern automatisch durch Einspeisen eines neuen Verarbeitungsmoduls.
ADHOC: Mit welchen Folgen?
BELLINGER: Da die Updates in der Apothekenbranche im zweiwöchigen Rhythmus erfolgen, wäre das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik mit dem Zertifizieren in der Apothekenbranche nie hinterher gekommen. Das Zertifikat wäre zum Stichtag also weg gewesen bis zu einer neuen gesetzlichen Regelung, die durchschnittlich mindestens ein Jahr dauert. Das wäre rundheraus eine Katastrophe für die Apotheken geworden. Der Bundesverband der Steuerberater hat dieses Problem ebenfalls gesehen und beanstandet.
ADHOC: Und Schäuble ließ sich überzeugen?
BELLINGER: Das BMF hat zum Glück eingelenkt, beim Fachgespräch am 25. Mai im Ministerium den Wortlaut des alten Entwurfs zum „Missverständnis“ erklärt und den Gesetzesentwurf danach geändert. Jetzt ist im Gesetz explizit die Rede davon, dass jedes Sicherungsmodul für die Absicherung der Grundaufzeichnungen von Kassensystemen geeignet ist, das zertifiziert ist. Das kann eine Smartcard sein, ein HSM oder eingebettete Sicherungselemente. Damit wird klargestellt, dass das Sicherungsmodul kein Baustein der Warenwirtschaft ist, eine Aktualisierung der Software also nicht automatisch das Zertifikat für das Sicherungsmodul zerstört.
ADHOC: Ist damit die Gefahr gebannt?
BELLINGER: Einen Haken hat die gesetzliche Regelung generell: Die Apotheken-EDV stößt die Daten an, die in und durch das Sicherungsmodul laufen. Folgerichtig findet im WWS die Selektion der Daten statt. Welche Daten in das Sicherungsmodul zu leiten sind, ergibt sich aus dem Gesetz definitiv nicht. Das war Kritik aller Teilnehmer im Fachgespräch im Mai.
ADHOC: Sie werden also wieder darüber streiten, welche Daten Apotheken liefern müssen?
BELLINGER: Das BMF hat zugesagt, bis zur Gesetzeseinführung eine Definition für „andere Vorgänge“ zu liefern. In meinen Augen ist das faktisch unmöglich. Die ADAS hätte eine Positivliste erstellen können: eine Definition aller Daten, die zwingend in das Sicherungsmodul geleitet werden. Das BMF hätte diese Liste gegebenenfalls ergänzen können – natürlich immer nur für die Zukunft geltend. Das Ministerium war durchaus aufgeschlossen, doch zwei andere beim Fachgespräch geladene Verbände verweigerten sich der Mitarbeit an der Liste. Das Argument: Es gebe zu viele unterschiedliche Branchen, weshalb die Arbeit nicht zumutbar sei.
ADHOC: Kommen auf die Apotheken Kosten wegen der Umrüstung ihrer Software zu?
BELLINGER: Nicht in relevantem Umfang. Man kalkuliert, dass das Sicherungsmodul unter 100 Euro kosten soll. Die größeren Kosten kommen auf die Softwarehäuser zu, die ihre Software umstellen müssen. Wie weit von dort Kosten weitergereicht werden, wird die Zukunft zeigen.