Inhaber verstorben, Verbund zerschlagen Laura Schulz, 23.06.2024 14:44 Uhr
Im Frühjahr erschütterte die Nachricht vom Tod eines Inhabers von vier Apotheken in und um Essen. Apotheker Peter Ricken soll plötzlich und unerwartet an den Folgen einer Routineoperation verstorben sein. Die Zukunft der zwei Apotheken in Essen sowie jeweils einer in Hagen und Mülheim war ungewiss. Doch nun bewegt sich hier etwas: Eine der Apotheken wurde nun von Jung-Apotheker Timon Marx übernommen. Auch eine weitere Apotheke fand einen Käufer und wird demnächst eine Easy-Filiale. Eine ist geschlossen und die übrige Apotheke sucht nun noch eine Inhaberin oder einen Inhaber.
Ricken betrieb bis Ende Januar die Apotheke am Essener Hauptbahnhof, die Apotheke am evangelischen Krankenhaus Mülheim (EKM), die Apotheke in der Rathaus-Galerie in Essen sowie die in der Rathaus-Galerie in Hagen. Letztere war bereits vor Rickens Tod gefährdet: Das Center wurde durch das Hochwasser 2021 an Ruhr und Lenne stark beschädigt, musste im vergangenen Jahr sogar Insolvenz anmelden.
Das hat auch die Apotheke hart getroffen, weiß einer der ehemaligen Filialleiter von Ricken, Jan Thiel. Die Apotheke war wegen des Hochwassers lange geschlossen. „Die Leute, die dort angestellt waren, wurden nach Essen geholt. Sie wurden nicht im Regen stehen gelassen“, berichtet Thiel. Die Apotheke war jedoch stark beschädigt und als sie Mitte 2023 wiedereröffnet werden konnte, hatte sie mit großem Personalmangel zu kämpfen. „Die Apotheke war nicht mehr zu retten“, so der Apotheker. Auch auf Hilfsgelder habe Ricken lange warten müssen. Schlussendlich musste die Apotheke abgestoßen werden, so Thiel. „Apotheke leider vorübergehend geschlossen“, heißt es dazu auf der Internetseite des Centers.
Neustart im Familienverbund
Wesentlich besser ging und geht es der Apotheke am EKM. Diese hätte auch Thiel gerne übernommen, der bis Anfang des Jahres dort Filialleiter war. Doch er wurde in einem anonymen Bieterverfahren von Timon Marx überboten. „Familie Marx übernimmt Apotheke am EKM - eine Rettungsaktion“, hieß es dazu in der Regionalpresse inklusive Todes- und Insolvenzgeschichte. Inhaber ist seit Juni der 25-jährige Timon Marx; seinem Vater Patrick gehören bereits vier Apotheken in Mülheim, Oberhausen und Umgebung. Grundstein hierfür war die 1966 von Großvater Jacques gegründete Apotheke in Mülheim.
Mit der Apotheke am EKM wagt „Marx Junior“ nun selber den Schritt in die Selbstständigkeit. Für die Apotheke sei kein günstiger Preis bezahlt worden, auch wenn die Marktpreise für Apotheken derzeit schwierig seien. Doch die Apotheke sei erst fünf Jahre alt und hat einen super Standort direkt am Krankenhaus, so der neue Inhaber. Zudem habe durch das anonyme Verfahren keiner gewusst, was der andere bietet, weshalb der Preis auch etwas höher sein kann. Aktuell sei das Geschäft hier noch „sehr Ärztehaus-lastig“, so Marx. „Aber in Zukunft denke ich, dass man hier noch was machen kann.“ Er profitiere zudem von der Zugehörigkeit zu den Marx-Apotheken, also dem Verbund seines Vaters.
Dass er irgendwann Apothekeninhaber werden würde, war ihm schon lange klar, sagt er, aber er dachte immer, dass es die vier Apotheken des Vaters werden würden. Nun geht er den Schritt mit einem neuen Standort. „Das ist eine moderne Apotheke, die Lage ist günstig – da habe ich die Chance genutzt“, so Marx, der die Apotheke offiziell einen Tag nach seinem 25. Geburtstag übernommen hat. Mit dem Team sei es „etwas kompliziert“, teilweise habe Marx die Mitarbeitenden der Apotheke übernehmen können, teilweise hätten die Mitarbeitenden aus dieser Apotheke aber Verträge für andere aus Rickens Verbund gehabt. Eine Angestellte habe daher beispielsweise ihren bisherigen Arbeitsvertrag gekündigt, um dann bei Marx anfangen zu können.
Center-Apotheke geht an Easy-Inhaber
Der frühere Filialleiter Jan Thiel führt nun noch als pharmazeutischer Verwalter die beiden Apotheken in Essen. Die offizielle Verwaltung hat die Kanzlei Resnova übernommen. Pharmazeut:innen gab es nicht in der Familie, die das Erbe hätten antreten können, weshalb es ausgeschlagen wurde und die vier Apotheken bei der Insolvenzverwaltung Resnova landeten. Während die Apotheke am EKM an Marx ging, kaufte ein Easy-Apotheker aus Mettmann die in der Rathaus-Galerie Essen und wird hieraus im Juli ebenfalls eine Easy-Apotheke machen. Diese Übernahme hat jedoch nichts mit dem Tod des früheren Inhabers zu tun, weiß Thiel. Ricken habe den Mietvertrag mit dem Center noch kurz vor seinem Tod gekündigt, womit die Apotheke unverkäuflich wurde. Das Center habe nun selbst einen Nachmieter gefunden.
Sonderfall Inhaber-Tod
„Es war sehr lange unklar, was mit den Apotheken passiert“, berichtet Thiel, „vor allem weil unsere Amtsapothekerin die Läden sehr schnell zugemacht hat“. Nach anderthalb Monaten konnten die Apotheken dann wieder öffnen. „Zwischenzeitlich haben aber Leute gekündigt, weil sie Angst hatten.“ Zunächst habe es einen normalen Weiterbetrieb gegeben. Eine Insolvenz oder finanzielle Schieflage habe es entgegen einiger Gerüchte vorab nicht gegeben. „Bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren gelang es mit erheblichem Aufwand unter Einbindung der Mitarbeiter und der öffentlichen Stellen drei der vier Apotheken mit rund 50 Mitarbeitenden im Einklang mit den apothekenrechtlichen Vorschriften wieder zu öffnen“, schrieb Resnova Ende April zum Fall.
„Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens konnte daher ein Veräußerungsprozess angestoßen werden – ein erfreuliches Ergebnis für die beteiligten Gläubiger. Wäre es bei der Schließung geblieben, wäre lediglich die Abwicklung der Betriebe möglich gewesen“, so die Kanzlei weiter. Zudem erklärt sie die gesetzlichen Besonderheiten im Falle von Apothekeninsolvenzen und Todesfällen von Inhaber:innen: „Auch eine Fortführung von Apothekenbetrieben in Regelinsolvenzverfahren scheitert aufgrund des gesetzlich verankerten Fremdbesitzverbotes, weshalb nur ein Eigenverwaltungsverfahren häufig eine Handlungsmöglichkeit in der Krise des Apothekers darstellt. In dem vorliegenden Fall konnte auf § 13 Abs. 1 ApoG zurückgegriffen werden, welcher im Falle des Todes des Apothekers die Möglichkeit der Erteilung einer befristeten Erlaubnis vorsieht.“
Ungewissheit für Apotheke am Essener Hauptbahnhof
Diese „befristete Erlaubnis“ greift nun nur noch in einem Fall. Thiel möchte die nun einzig verbliebene Apotheke am Essener Hauptbahnhof nicht übernehmen, führt sie aber noch bis zum Ende des Verwalterjahres im Januar, sollte sich nicht bis dahin ohnehin ein Käufer oder eine Käuferin gefunden haben. „Der Standort ist unpassend für mich. Mir ist es hier zu laut“, sagt Thiel dem weder Lage noch Klientel am Bahnhof zusagen. Er schaut sich nun um. „Ich weiß aber auch noch nicht, wie lange ich jetzt Verwalter bleibe.“ Spätestens zum Februar hätte er dann aber gern eine eigene Apotheke oder einen neuen Posten als Filialleiter.