Ein Inhaber, der zwei Jahre lang Kunde bei der Noventi war, machte aufgrund einer Preiserhöhung sein Sonderkündigungsrecht geltend. Seitdem wartet er auf sein Geld – mittlerweile seit 13 Monaten. „Für mich ist diese Vorgehensweise der Noventi in Zeiten des Apothekensterbens absolut verantwortungslos und grenzt für mich an Unterschlagung.“
Seit der Übernahme seiner ersten Apotheke war er Kunde bei Noventi. „Von Anfang 2021 bis Oktober 2023, dann habe ich die Reißleine aufgrund einer allgemeinen Preiserhöhung gezogen“, erklärt der Apotheker. Er machte Gebrauch von seinem Sonderkündigungsrecht.
In der Zeit habe er auch negative Erfahrungen sammeln müssen. „Dazu gehörten der schlechter werdende technische Support, insbesondere die Erreichbarkeit, die ständig überlasteten Server bei der webbasierten Rezeptüberprüfung sowie Probleme beim HiMi-Dialog“, so der Inhaber. „Ich verlor Kunden, weil ich keine Meldung erhielt, wenn Krankenkasse XYZ kein Mitglied dieses Noventi-eigenen digitalen Genehmigungsverfahrens für Hilfsmittel war.“ So sei unnötig Zeit verstrichen, in der er die Patient:innen nicht versorgen konnte.
„Nun hat es sich so ergeben, dass sich letzten Monat meine Buchhaltung bei mir gemeldet hat“, so der Inhaber. „Während Abschlagszahlung sowie Restzahlung komplett überwiesen wurden, fehlte der Auszahlungsbetrag § 302 inklusive pharmazeutischer Dienstleistungen gemäß Corona-lmpfverordnung/ -Testverordnung für meine beiden Apotheken bis heute vollständig“, erklärt er. „Also 13 Monate nachdem ich die Noventi verließ.“ Es handelt sich um einen Betrag in Höhe von insgesamt 4550,32 Euro.
Der Apotheker schickte daraufhin eine entsprechende Anfrage an die Noventi. „Als Antwort erhielt ich, dass der fehlende Betrag über den gesamten Zeitraum ohne meine Kenntnis einbehalten wurde“, ärgert er sich. Der Grund: „Mögliche Retaxationen.“
Nach Rücksprache mit seinem Steuerberater sowie der Buchhaltung habe er die „Restzahlung" der offenen Beträge akzeptiert, jedoch geantwortet: „Auch wenn ich mich mit den Beträgen zufriedengebe, ist diese Vorgehensweise ein absolutes Unding Ihrerseits.“ Und weiter: „Ihr Unternehmen hat nach meiner absolut gerechtfertigten Sonderkündigung Geld einbehalten, ohne mich zu informieren.“ Mehr noch: „Noventi hat die Abschlussrechnung so aussehen lassen, als wäre zwischen mir und dem Unternehmen alles erledigt.“
Dass seine Buchhaltung ihn nach 13 Monaten darüber informieren müsse, dass noch Geld aus der „Abschlussrechnung“ fehle, „ist so ziemlich der Hammer“. Für den Apotheker ist klar: „Rechtlich gesehen ist das ein klarer Fall der Unterschlagung.“ Den fehlenden Betrag einzubehalten wegen „möglicher Retaxationen“ ist laut dem Inhaber keine Rechtfertigung für diese „absolut verantwortungslose Vorgehensweise“. Denn: „Es gibt Apotheken, die hätten bei einem Defizit von etwa 5000 Euro wirtschaftlich gelitten.“ Außerdem schlägt er in seinem Antwortschreiben vor: „Jetzt hätte ich lieber von Ihnen gehört: Wir haben den Betrag für Sie angelegt mit 4 Prozent und würden Ihnen die 4500 Euro gerne mit der Rendite auszahlen.“
Das i-Tüpfelchen sei für ihn gewesen: „Ausgerechnet im November, wo bei mir noch die Weihnachtsgelder ausgezahlt werden, meint die Noventi, Gelder einbehalten zu müssen, ohne den Kunden zu informieren?“ In Zeiten wie diesen, wo unter anderem der Anteil an Hochpreisern in den Apotheken stetig steige, hätte er lieber „die Wahl gehabt“, das Geld in Hochpreiser zu investieren oder festverzinst anzulegen.
„Und entsprechend nachhallende Retaxationen aus der Zeit bei Noventi hätte ich selber beglichen“, so der Apotheker. „Ich bin mit Sicherheit nicht der Einzige, der die Noventi in diesem Zeitraum verließ und bei dem so vorgegangen wurde.“ Es sei nicht nur verantwortungslos in Zeiten des Apothekensterbens, sondern „auch skandalös und sollte strafrechtlich geahndet werden“.
„Der Einbehalt der letzten Abrechnung (nur für § 302 SGB V Hilfsmittel) ist mit dem Inhaber – wie mit all unseren Kundinnen und Kunden – im Rahmen unserer AGB vertraglich geregelt worden (Abrechnung von § 300 SGB V Arzneimittel wurde komplett ausbezahlt). Hintergrund ist, dass im Falle von Retaxationen diese bei der Abrechnung nach § 300 SGB V (Arzneimittel) an den Kostenträger zurückgeschickt werden können, bei § 302 SGB V (Hilfsmittel) ist dies nicht möglich“, so eine Sprecherin.
Der einbehaltene Betrag diente also als Sicherheit für mögliche Retaxationen. „Im dargestellten Fall haben uns Retaxationen von den Krankenkassen im Laufe dieses Jahres auch tatsächlich erreicht, die wir gemäß unserer AGB-konformen Einbehaltung gegenüber dem Inhaber verrechnet haben“, so die Sprecherin weiter. Es bestehen keine offenen Forderungen gegenüber Noventi, erklärt sie.
In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) heißt es jedoch konkret dazu:
„Im Falle einer ordentlichen Kündigung ist NHC zur Sicherung möglicher Rückforderungsansprüche für die Dauer der Kündigungsfrist berechtigt, gegenüber dem Vertragspartner folgende Beträge einzubehalten („Sicherheitseinbehalt“):
Dass Softwarehäuser das Geld einfach einbehalten sei nicht rechtens, bestätigt auch ein anderer Inhaber: „Das ist nicht zulässig. Man müsste einen Mahnbescheid schreiben, es handelt sich hier nicht um eine Mietkaution, das Geld gehört denen nicht.“ Zudem sei es für die Krankenkassen auch kein Geheimnis bei welchem Rechenzentrum der jeweilige Apothekeninhaber sei. „Wir erleben solche Fälle aber bei mehreren Anbietern“, so der Inhaber. „Es gibt nicht nur mit der Noventi derartige Probleme.“
So wisse er auch aus dem Kollegenkreis, dass es immer wieder Retaxationen hagelt, die zwei Jahre alt seien. „Die Retaxen werden nicht zeitgemäß weitergeleitet, Stichpunkt: Einspruchsfrist“, erklärt er. „Über ein Guthaben aus älteren Abrechnungen werden wir aber nicht informiert. Nach dieser langen Zeit ist das alles schwer nachvollziehbar“, so der Apotheker.