„In Nordrhein gibt es Besonderheiten“ Carolin Ciulli, 09.03.2022 12:49 Uhr
Auch in Nordrhein erhalten Apothekenangestellte rückwirkend zum Jahresanfang mehr Gehalt. Die Steigerung fällt jedoch niedriger aus als diejenige, die zuvor mit dem Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken (ADA) ausgehandelt worden war. Apotheker Sebastian Berges, der zweiter Vorsitzender der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter (TGL) Nordrhein ist, erklärt die Gründe.
Während der mit der Apothekengewerkschaft Adexa ausgehandelte Gehaltstarifvertrag für das Bundesgebiet eine bereits zu Januar rückwirkend geltende Anhebung der monatlichen Gehälter um 225 Euro für PKA sowie um 200 Euro für PTA, Pharmazieingenieur:innen und Approbierte vorsieht, erhalten die Angestellten in Nordrhein eine gestaffelte Steigerung. Zudem ist dort ab 2023 eine Lohnerhöhung von nur 2 statt 3 Prozent vorgesehen.
„In Nordrhein gibt es Besonderheiten, das hat die Adexa nicht verstehen wollen“, sagt Berges. Der neue Tarifvertrag trage den Herausforderungen der Region im Besonderen Rechnung. Dazu gehörten zum Beispiel eine hohe Apothekendichte mit vielen kleinen Betrieben, ein starker Wettbewerb untereinander sowie mit dem Versandhandel in den nahen Niederlanden sowie die Auswirkungen der AvP-Insolvenz und der Flutkatastrophe im Sommer 2021.
„Andere Ballungsgebiete haben nicht diese Probleme“, sagt er. „Bei unseren Kunden ist eine Affinität zum Versandhandel in Holland da. Da geht man hin, um Kaffee zu kaufen oder um zu tanken.“ Die Verbraucher:innen hätten auch die dortigen Arzneimittelpreise im Blick. Zudem gebe es in den Ballungsgebieten teils heftige Preiskämpfe zwischen den Vor-Ort-Apotheken. Ein Beispiel aus Duisburg zeigte, dass bei fünf Apotheken in einer Straße letztlich nur zwei übrig geblieben sind. „Das gibt es woanders weniger.“
Die niedrigeren Betriebsergebnisse ließen sich anhand von Treuhand-Zahlen belegen. „Wir haben höhere Personalkosten wegen den längeren Öffnungszeiten, höhere Mieten und Energiekosten“, sagt Berges. Bei Apotheken in Niedersachsen oder Baden-Württemberg sei dies anders. Die neuen höheren Gehaltstarife bildeten die tatsächliche Bezahlung in Apothekenteams besser ab, sagt er. Sie unterstrichen, dass „das Berufsfeld Apotheke finanziell attraktiv und konkurrenzfähig ist – auch in Hinblick auf alternative Arbeitsplätze zum Beispiel in Industrie oder Verwaltung“.
In Nordrhein erhalten alle Berufsgruppen in Apotheken rückwirkend zum 1. Januar quartalsweise je 50 Euro mehr Lohn. Insgesamt steigen die Gehälter im Lauf des Jahres 2022 um 200 Euro beziehungsweise 268 Euro für PKA und 100 Euro für Berufe in der Ausbildung. Der Vertrag ist für zwei Jahre gültig. Arbeitnehmer:innen haben jedoch keinen Anspruch auf eine Gehaltserhöhung, wenn das tatsächliche Gehalt bereits mindestens dem neuen Tarif entspricht.
„Der neue Tarifvertrag macht die wirtschaftliche Belastung durch die Lohnkostensteigerungen für unsere Mitglieder kalkulierbar und bedeutet zugleich ein hohes Maß an Planungssicherheit für Apothekenleiter und ihre Angestellten“, sagt Berges. Die Verhandlungen wurden zum einen von den Plänen der Bundesregierung beeinflusst, den gesetzlichen Mindestlohn voraussichtlich zum 1. Oktober auf 12 Euro pro Stunde zu erhöhen. Der neue Gehaltstarifvertrag hebe die Löhne für PKA deshalb zusätzlich deutlich an. Dies verlangte eine entsprechende Anpassung der Gehälter auch in den anderen Berufsgruppen in Apotheken.