Unser Schaufenster glitzert und leuchtet, im HV ist weit und breit keiner zu sehen. In der Nacht zum 2. Advent quatsche ich mit Max über Gott und die Welt. Im Nachtdienstzimmer machen wir es uns gemütlich: Selbstgemachte Zimsterne, Spekulatius und ein Glas Tee leisten uns Gesellschaft.
„Was hältst du eigentlich von der Bürgerversicherung“, will Max wissen. „Brauchen wir eine Radikalreform im Gesundheitswesen?“ Oh Max! Können wir an diesem Abend nicht über etwas anderes reden? Zum Beispiel über Weihnachtsgeschenke, über die anstehende Weihnachtsfeier oder einfach nur über das Rezept meiner leckeren Zimststerne. Doch Max lässt nicht los und will eine Antwort hören. Um ehrlich zu sein, würde eine Reform gut tun! Ich träume eher von einer Bürgerkrankenkasse, bei der es keine Rabattverträge gibt. Das wäre doch eine Revolution, meinst du nicht? Ich verbringe netto mehr Zeit mit sinnlosen Erklärungen als mit pharmazeutischer Beratung. Ich würde mir auch mehr Kompetenzen und Verantwortung sowie einen breiteren Entscheidungsspielraum wünschen. Das kann ich ja auf meinen Wunschzettel schreiben.
Dingdong! Unser Gespräch wird von einem Kunden unterbrochen. Ich laufe zur Tür. Meine Füße habe ich in grüne Fleece-Socken eingepackt. Die passen zwar nicht zu meinen pinken Clogs, aber immerhin sind sie dick und halten warm. „Hatschi!“, kommt als Begrüßung. Vor mir steht ein Mann mit deutlich erkennbaren Erkältungssymptomen. „Ich brauche ein Nasenspray“, sagt er. „Und außerdem Schmerztabletten und Halspastillen.“ Nach der Beratung entscheide ich mich für ein abschwellendes Nasenspray, Ibuprofen und Kräuter-Pastillen.
„Wollen Sie mich abziehen?“, wirft er ein. Nein, eigentlich will ich so schnell wie möglich wieder rein, es ist nämlich sehr kalt, denke ich mir. „Nasenspray für 3,95 Euro?! In meiner Stammapotheke kostet das nur 2 Euro!“ Einige Sekunden Stille. Soll ich mich jetzt auch aufregen und sagen, dass er doch in seine Stammapotheke gehen soll? Immer diese mysteriösen Apotheken ohne Namen, die alles besser machen und günstiger sind. Wer sind diese Apotheken, frage ich mich manchmal. Als Information bekommt man meistens nur „Stammapotheke“.
Inzwischen lache ich darüber und zwinge mein gegenüber zu mehr Daten: „Wie heißt diese Apotheke?“ Viele Kunden rechnen nicht mit dieser Nachfrage und sind überstürzt. Bislang hab ich nur einmal den Namen gesagt bekommen. Dann habe ich der Kundin dekliniert, wie denn der günstige Preis zu Stande kommen könnte: günstige Mieten, große Abnahmemengen und damit gekoppelt Mengenrabatt, geringere Personalkosten et cetera.
Ich entscheide mich, diplomatisch zu bleiben: „Den Apothekennotdienst teilen sich die Apotheken in einem bestimmten Turnus auf. Ihre Stammapotheke hat heute keinen Notdienst.“ Dieser sachliche Hinweis bewirkt Wunder. Der Herr schaut mich bedeutungsvoll an und macht einen etwas enttäuschten Eindruck. Er weiß nicht, was er antworten soll. „Wie viel macht das jetzt insgesamt?“, will er wissen. Nach der Bezahlabwicklung wünscht er mir einen schönen 2. Advent und schlendert zum Auto.
Mit halb erfrorenem Anlitz begebe ich mich zurück zum Nachtdienstzimmer. Winter und Nachtdienstklappe – keine ideale Kombination. Max hat in der Zwischenzeit alle leckeren Kekse aufgegessen. „Möchtest du noch einen Tee?“, fragt er unverschämt.
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