Wenn Apotheker die Nichtabgabe von Importarzneimitteln mit pharmazeutischen Bedenken begründen, kürzt ihnen das Rechenzentrum die Abrechnung. Das alles ist laut Rahmenvertrag zwischen dem DAV und dem GKV-Spitzenverband sogar rechtens. Wer unterschreibt solche Vereinbarungen? Ein Kommentar von Lothar Klein.
Dass überbordende Bürokratie den Apothekern tagtäglich das Pharmazeutenleben schwer macht, hat sich ja längst herumgesprochen. Jeder Handgriff ist durch irgendeine Verordnung oder ein Gesetz reglementiert. Weil die Politik den Regelungswust nicht von Zeit zu Zeit ausmistet, sammelt sich über die Jahre durch immer neue Novellierungen ein unübersichtliches Gestrüpp von Vorschriften und Widersprüchlichkeiten an, die kaum noch jemand überblickt.
Um Kosten bei der Arzneimittelversorgung einzusparen, kam der Gesetzgeber eines Tages auf die Idee, mit Reimporten den Kassen zu entlasten. Das ist an sich schon ein bemerkenswertes Herangehen. Was ist sinnvoll daran, Arzneimittel, die in Deutschland teurer angeboten werden als im Ausland, erst zu exportieren, dann umzupacken und mit neuen Beipackzetteln zu versehen, um sie anschließend wieder zu importieren und zu Hause billiger an die Krankenkassen abzugeben?
Von diesem Geschäftsmodell leben zwar einige Importeure gar nicht mal so schlecht. Aber ökonomisch kann die Rechnung nur funktionieren, wenn die man die Öko-Bilanz dieser Umweg-Versorgung außer Acht lässt. Das sind Arbitrage-Geschäfte, die eigentlich in der Arzneimittelversorgung als besonderem Gut nichts zu suchen haben sollten.
Im Fall der Apothekerin aus dem hessischen Groß-Zimmern stellen sich noch ganz andere Fragen: Warum ist etwas beim Reimport verboten, das bei einem vom Volumen her weit bedeutenderem Sparinstrument, den Rabattverträgen, möglich ist: das Anmelden von pharmazeutischen Bedenken. Schließlich geht es in beiden Fällen in erster Linie um das Wohl der Patienten und nicht um das Wohl der Kassen.
In beiden Fällen muss es eine Selbstverständlichkeit sein, dass pharmazeutische Bedenken über ökonomischen Aspekten stehen. Wenn der Apotheker bei der Abgabe eines Importes die Compliance nicht gewährleistet sieht, muss er die Entscheidung zur Abgabe eines anderen Arzneimittels treffen können. Niemand darf einen Heilberufler dazu zwingen, gegen seine Profession zu handeln.
Pharmazie und Therapie geht stets vor Ökonomie. Diesen Grundsatz sollten auch Krankenkassen akzeptieren können. Mehr noch: Der Schaden durch den Zwang zur Abgabe eines Importarzneimittels wäre am Ende womöglich noch größer, wenn das Arzneimittel nämlich deswegen nicht eingenommen würde.
Die Regelung zum Abgabezwang von Importarzneien im Rahmenvertrag macht also nicht nur pharmazeutisch betrachtet keinen Sinn. Noch weniger Sinn macht es, Apotheker für korrektes pharmazeutisches Handel ökonomisch zu bestrafen.
Fragt sich nur, wie diese Import-Klausel in den Vertrag geraten konnte. Schließlich saßen die Experten des DAV mit am Verhandlungstisch und haben den Rahmenvertrag sogar abgesegnet. Vielleicht liegt ja Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Gerd Ehmen richtig, der kürzlich die ausufernde Macht der Kassen im Gefüge der Selbstverwaltung angeprangert hat. Selbst wenn das so wäre, muss die Standesvertretung der Apotheker aber noch lange nicht jeden Vertrag unterschreiben.
Als die Verträge gemacht wurden, herrschten noch andere Zeiten, waren die Kassen noch vernünftig, hört man gelegentlich. Und dass die Apotheker dann jahrelang hingehalten wurden. Bleibt zu hoffen, dass wenigstens die Einigung im Retaxstreit mit mehr Vernunft gestrickt wurde. Oder dass die Verantwortlichen in den eigenen Reihen endlich zugeben, dass man mit Kassen nicht vernünftig verhandeln kann und dass man gemeinsam für eine große Lösung kämpfen sollte.
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