Nach dem Lunapharm-Skandal um vermeintlich gefälschte Arzneimittel ist der Streit um die Importquote neu entfacht. Auf der einen Seite verteidigen die Importeure den Markt. Auf der Gegnerseite allen voran stehen die AOK Baden-Württemberg und Apotheker. In einem öffentlichen Brief hatte Apotheker Dr. Franz Stadler (Sempt-Apotheke, Erding) Kritik an der Importquote geäußert. Eurim-Pharm und Kohlpharma wollten ihm das verbieten und haben den Apotheker wegen seines vermeintlichen Boykott-Aufrufs abgemahnt. Zwischenzeitlich hat man sich geeinigt.
Stadler hatte am 10. August bei APOTHEKE ADHOC geäußert, ein „Warnstreik“ bei der Erfüllung der Importquote könnte helfen, um die Politik aufmerksam zu machen. Zwei Wochen später bekam er Post von den Anwälten der Importeure. Kohlpharma und Eurim-Pharm verlangten jeweils eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung. Sollte er sich erneut in dieser Art kritisch über das Thema Import äußern, drohe eine Geldstrafe von 5000 beziehungsweise 6000 Euro.
Stadler unterschrieb zunächst nichts. Es handele sich schließlich um seine persönliche Einschätzung. Und im übrigen werde Risikobewertung ja von offizieller Stelle geteilt, meinte Stadler mit Verweis auf den Schlussbericht im Lunapharm-Skandal. Gegenüber dem ARD-Magazin „Kontraste“ sagte er gestern, das Vorgehen der Importeure sei ein „starkes Stück, weil man im Prinzip versucht mir einen Maulkorb anzulegen, obwohl ich das ja als freie Meinungsäußerung begreife“. Dem Vernehmen nach hat sich Stadler aber zwischenzeitlich mit den Importeuren geeinigt. Sie lassen ihn in Ruhe, er ruft nicht zum Boykott auf.
Eurim hatte gegenüber Kontraste folgende Stellungnahme abgegeben: „Der von Ihnen angesprochene Apotheker hat mehrfach zu einem generellen Boykott von Importarzneimitteln aufgerufen. Dies stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen rechtliche Bestimmungen dar, weshalb er von uns aufgefordert wurde, dies zukünftig zu unterlassen. Eine entsprechende Unterlassungserklärung hat der Apotheker inzwischen abgegeben.“
Dass die Lobby auf Hochtouren arbeitet, bestätigte auch Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, gegenüber Kontraste. „Die Lobby ist sehr aggressiv, was man verstehen kann, denn aus deren Sicht wird ein ganz sicheres Geschäftsmodell sozusagen infrage gestellt. Man kann günstig im Ausland einkaufen und mit hohem Gewinn in Deutschland mit hundertprozentiger Sicherheit wiederverkaufen. Das will man mit Zähnen und Klauen verteidigen.“
Im August hatte Stadler zu einem „Warnstreik“ bei der Erfüllung der Importquote aufgerufen. Die Quote ist für Stadler ein „Einfallstor für Fälschungen und Diebesgut“, unkontrollierbar und aufgrund des Abzugs der Arzneimittel aus anderen Märkten auch unethisch. Er appellierte an die Kollegen, unabhängig von der geltenden Gesetzeslage, diesen Teil des Systems aus Gründen der Arzneimittelsicherheit nicht mehr mitzutragen. Denn die Apotheker sollten Stadler zufolge immer zuerst auf der Seite der Arzneimittelsicherheit stehen.
Sein radikaler Vorschlag: „Wir geben einfach keine Importarzneimittel mehr ab! Wir verzichten auf unsere Preisvorteile und Rabatte, schultern die Importquote zunächst selbst oder aus unseren Guthaben heraus und klagen dann einer nach dem anderen gegen mögliche Retaxationen.“ Lobbyisten und Politiker hätten in der Folge gegenüber den Patienten zu rechtfertigen, warum sie diesen Unsinn nicht abschaffen.
Apotheken sind verpflichtet, einen bestimmten Anteil an importierten Arzneimitteln abzugeben. Gemeint sind Importe, die mindestens 15 Euro oder mindestens 15 Prozent günstiger sind als das Original. Jede Krankenkasse legt für ein Quartal eine Importquote fest, diese liegt meist bei 5 Prozent des Fertigarzneimittelumsatzes der Apotheke bei der entsprechenden Kasse. Werden in einer Apotheke weniger als 25 Prozent importfähiger Arzneimittel abgegeben, ist die vorgeschriebene Importquote entsprechend. Erfüllt die Apotheke die Importquote nicht, wird sie finanziell bestraft.
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