Gefälschte Impfpässe tauchen in Apotheken gefühlt weniger auf als noch vor einigen Monaten. Auch Apotheker Moritz Heydrich* aus Berlin stellt ein gesunkenes Interesse an digitalen Impfnachweisen und damit weniger kriminelles Potenzial fest. „Wir hatten zuletzt keinen einzigen mehr“, sagt er. Vergangene Woche war er erstmals als Zeuge vor Gericht geladen – die Verhandlung nahm einen überraschenden Verlauf.
Seit mehr als sechs Jahren ist Heydrich in der Wedding-Apotheke in Berlin tätig. Dass er einmal sozusagen als Kriminalist im Einsatz sein wird, hätte er nie gedacht. Zahlreiche Fälschungen sind ihm und seinen Kolleg:innen während des Ausstellens der digitalen Impfnachweise aufgefallen. „Ich habe zwischen 24 und 36 zur Anzeige gebracht“, sagt der Approbierte.
Die Polizei zu informieren, sei für ihn wichtig gewesen. „Nur dann spricht sich in der Szene herum, dass man es in der Wedding-Apotheke nicht zu probieren braucht“, ist er sich sicher. Besonders zwischen Oktober und Dezember hätten viele versucht, sich einen digitalen Nachweis zu erschleichen. „Ich habe die Fälschungen meist auf den ersten Blick erkannt“, sagt Heydrich.
Vor der ersten Verhandlung am vergangenen Donnerstag vor dem Amtsgericht Tiergarten sei er „schon sehr aufgeregt“ gewesen. „Man hört ja immer wieder, wie extrem auch die Querdenker sind oder waren.“ Der Prozessbeginn habe sich um 45 Minuten verzögert, weil sich die vorherige Verhandlung in die Länge gezogen hatte. Dann kam die Nachricht, dass der Beschuldigte nicht erschienen ist. „Der Richter hat nun erstmal einen Haftbefehl erlassen und dann schaut man weiter.“
Mehrere Fälle, die vor der bestätigten Strafbarkeit der Täter:innen geschehen seien, wurden dem Apotheker zufolge bereits fallen gelassen. Denn erst mit dem Inkrafttreten des neuen Infektionsschutzgesetzes (IfSG) wurden die mancherorts gehegten Zweifel an der Strafbarkeit des Fälschens, Verbreitens und Verwendens von gefälschten Impfpässen ausgeräumt. „In vier Fällen habe ich eine Absage bekommen.“ Das sei sehr frustrierend.
Heydrich erwartet, dass er noch zu einigen weiteren Fällen als Zeuge geladen wird. „Selbst an Heiligabend kam ein Ehepaar mit gefälschten Impfbüchern zu uns“, sagt er. Zunächst seien beide ruhig geblieben, als er sie auf den Betrugsverdacht angesprochen habe. Danach hätten sie die „Mitleidsschiene“ gefahren und gesagt, sie würden sonst ihre Jobs verlieren. Der Apotheker ließ sich nicht beeindrucken und erstattete Anzeige.
Auch Drohungen von Kund:innen schrecken ihn nicht ab und liefen bisher immer ins Leere. „Einmal drohte mir einer mit seinem Anwalt, weil ich seinen Personalausweis behalten habe. Bis heute habe ich nichts gehört. Das sind leere Worthülsen.“ Der Approbierte verfasste auch für Kolleg:innen Anzeigen oder hielt die Verdächtigen hin. „Wegschicken bringt nichts. Die müssen das über die Polizeipräsenz lernen.“
* Name von der Redaktion geändert
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