Es ist kurz vor Feierabend – in der Apotheke am Bahnhof ist noch viel los. Genau diese Situation nutzen Betrüger:innen aus, wenn sie gefälschte Covid-19-Nachweise vorlegen, um ein digitales Zertifikat zu erhalten. Die Angestellten sind im Stress und mit den Gedanken vielleicht selbst schon zu Hause. Auch mittwochs und samstags würden besonders viele gefälschte Impfpässe vorgelegt, sagt eine Apothekerin, die täglich mit Plagiaten konfrontiert ist. Die gelben Hefte seien mitunter dreist manipuliert.
Seit der Einführung der 3-G-Regel und dem Aus der kostenlosen Bürgertests boomt der Handel mit gefälschten Impfpässen. In Apotheken werden regelmäßig Fälschungen vorgelegt. „Wir haben täglich ein bis zwei Pässe“, sagt die Apothekerin, die ihren Namen und ihren Arbeitgeber nicht nennen will. Mittlerweile könne man die Fälscher:innen fast schon erkennen. „Natürlich muss man sehr vorsichtig sein“, sagt sie. Die Polizei ruft die Approbierte nur, wenn sie ganz sicher ist.
Wegen der Impfausweise wurden die Ermittler bisher noch nicht verständigt. Das habe auch daran gelegen, dass die Pässe teilweise so schlecht gefälscht gewesen seien, dass sie nicht erwarte, dass es die Kund:innen erneut versuchten. Einmal seien ausgeschnittene der Stempel und die Arztunterschrift mit Tesa im Heft eingeklebt gewesen. Auf Nachfrage habe es geheißen, dass es die Praxis selbst gemacht habe und vorher nur eine „Ersatzbescheinigung“ ausgestellt worden sei. „Das kann ja sein, aber dann möchte ich auch, dass der Arzt das verifizieren soll“, so die Apothekerin, die den Kunden mit dieser Antwort wegschickte.
Teilweise würden die Blanko-Pässe auch in der Apotheke gekauft. „Es kommt schon vor, dass jemand fünf Stück mitnimmt. Das kann natürlich für eine große Familie sein“, sagt sie. Auffällig wird es jedoch, wenn die gleiche Person am gleichen Tag wiederkommt und den Nachweis der Covid-19-Impfung im sonst leeren Impfpass präsentiert. Natürlich werde versucht, das nicht bei der selben Mitarbeiter:in vorzuzeigen, wo der Impfpass erworben worden war. „Ich habe mir schon einmal gedacht, dass ich das Gesicht bereits gesehen habe. Wir sind aber eine große Apotheke mit viel Personal.“ Da könne dieser Trick funktionieren. Mittlerweile schreibe sie in die Blanko-Hefte ein kleines Zeichen samt Datum auf die letzte Seite, um sie wiederzuerkennen. Die Pässe zu Stempeln, sei zu aufwendig.
Und genau da liegt ein Knackpunkt im Umgang mit gefälschten Nachweisen. Die Apotheken haben ohnehin genug zu tun, was Betrüger:innen ausnutzten. „Ich kann doch nicht immer in der Praxis anrufen und fragen, ob die Impfung wirklich stattgefunden hat“, sagt die Apothekerin. „Ich gebe den Leuten, bei denen ich eine Fälschung vermute, den Hinweis, dass sie sich strafbar machen.“ Anders als bei Rezeptfälscher:innen, sei die Polizei bisher noch nicht gerufen worden.
Die Digitalisierung der Impfnachweise werde auch weiterhin in der Apotheke angeboten. „Ich fände es unfair den Menschen gegenüber, die sich tatsächlich geimpft haben. Es ist unpraktisch, immer den gelben Impfpass dabei zu haben.“ Insgesamt seien seit dem Start des Angebots rund 10.000 QR-Codes ausgestellt worden. „im Juli, August und September sind Fälschungen noch nicht aufgefallen“, sagt sie. Generell sei die Nachfrage nach Zertifikaten gesunken. „Es müsste viel besser kommuniziert werden, dass die digitalen Nachweise auch in der Arztpraxis ausgestellt werden können. Dann hätten wir das Problem nicht. Die Impfzentren machen es ja auch.“
Die Situation, einen Fälschungsverdacht zu äußern, kann auch eskalieren: In einer Dortmunder Apotheke wies eine PTA am Samstag einen Kunden auf Unstimmigkeiten hin und wollten den Impfpass einbehalten. Er drehte er daraufhin den Arm auf den Rücken, um das Heft zu bekommen. Ein weiterer Kunde schritt ein und der Mann flüchtete.
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