Impf-Apothekerin kontert Spahn Alexander Müller, 06.05.2019 10:12 Uhr
Um Masern auszurotten, will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine Impfpflicht einführen. Die SPD hat bereits Zustimmung zum Gesetzentwurf signalisiert, es gibt aber auch Widerstände. Apothekerin Sylke Bergmann aus Münster ist gegen die Zwangsimpfung und empfiehlt Spahn, lieber auf die Apotheken zu setzen. Mit einem Impfpass-Check in ihrer Margareten-Apotheke hat Bergmann gute Erfahrungen gemacht.
Bergmann ist gegen Spahns Vorhaben: „Eine Impfpflicht verletzt das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Wir müssen überzeugen und nicht Impfen erzwingen. Und das Mittel der Aufklärung ist noch lange nicht ausgeschöpft“, ist die Apothekerin überzeugt. Statt immer gleich „von 0 auf 100“ zu gehen, könnte die Politik aus ihrer Sicht an der Basis anfangen. „Ich habe das Gefühl, wir Apotheker werden in der Diskussion ein bisschen vergessen“, so Bergmann gegenüber APOTHEKE ADHOC.
Sie selbst bietet in ihrer Margareten-Apotheke seit fünf Jahren einen Impf-Check an. Dabei werden die Impfausweise der Kunden durchgesehen, der Impfstatus dokumentiert und bei Bedarf an den Arzt verwiesen. „Durch diese Aktion konnten wir viele Impflücken aufdecken“, berichtet Bergmann. Nur ein einziger Ausweis sei vollständig gewesen – ein erschreckendes Ergebnis.
Die Kunden wurden mit der Analyse zum Arzt geschickt, die Reaktion der Mediziner sei ausschließlich positiv gewesen, berichtet Bergmann. Eine Praxis bestellt seit dieser Aktion ihre Impfstoffe in der Margareten-Apotheke. Das Bestimmen des Impfstatus müsste auch in der Apotheke zu einer bezahlten Leistung werden, fordert Bergmann. Eine Vergütung von fünf bis zehn Euro wie bei den Ärzten, hielte sie für angemessen. „Das ist eine Leistung, mit der eine große Aufklärung der Bevölkerung erreicht werden könnte“, so die Apothekerin. Denn in die Offizin kämen auch viele Kunden, die nicht regelmäßig zum Arzt gingen.
Die Impfungen gleich in der Apotheke durchzuführen, wie an anderer Stelle von Spahn vorgeschlagen, hält Bergmann für keine gute Idee: „Das sollte bei den Ärzten bleiben, die dafür ausgebildet wurden.“ Zutrauen würde sie sich das Impfen nach einer ausführlichen Schulung grundsätzlich schon. „Aber warum sollen wir jetzt nicht mit dem Check anfangen?“ Die Aufklärungsmöglichkeiten einer Apotheke vor Ort sollte gesehen und auch genutzt werden. „Ich halte den bezahlten Impfpass-Check für einen Schritt in die richtige Richtung“, formuliert Bergmann ihre Forderung. Sie hofft sehr, dass der Check bald von allen Apotheken durchgeführt werden kann.
In ihrer Projektarbeit zu Allgemeinpharmazie hat Bergmann die Durchführung des Checks aufgeführt und dokumentiert. Die schriftliche Dokumentation und Auswertung erfolgte in diesem Rahmen für den Impfpass-Check 2018 von Anfang September bis Ende November. Insgesamt 31 Impfausweise wurden vom Team der Margareten-Apotheke überprüft. „Von diesen Impfpässen entsprach nur einer den aktuellen Empfehlungen der STIKO. Ansonsten waren die Impfungen unvollständig und wurden von uns entsprechend dokumentiert und dem Kunden als Empfehlung mitgegeben“, heißt es in Bergmanns Bericht. Das Ergebnis zeige, wie wichtig der Impfpass-Check sei. „Die Apotheken können viel dazu beitragen, dass sich die Durchimpfrate in Deutschland erhöht.“
Bergmann kennt aus ihrem Alltag auch die Bedenken der Menschen gegen das Impfen, das häufig mit Komplikationen und Nebenwirkungen in Zusammenhang gebracht werde. In ihrer Apotheke habe es aber insgesamt wenige Diskussionen über Nutzen und Risiko gegeben: „Unser Eindruck ist, dass die Kunden gegenüber dem Impfen eher positiv eingestellt sind.“ Impflücken kamen laut Bericht meist nicht aus Ablehnung, sondern aus anderen Gründen zustande: Die Kunden hatten etwa Auffrischungsimpfungen vergessen oder ihren Impfausweis verloren. Auch Übertragungsfehler von altem zu neuem Impfpass kamen vor, ebenso wie ungünstige Kombinationen bei früheren Impfungen, so dass etwa Pertussis oder Polio fehlte.
Im Impfcheck in der Apotheke sieht sie gleich mehrere Vorteile: Die Apotheke werde stärker als Ansprechpartner für Patienten, Pflegedienste und Ärzte zum Thema Impfung wahrgenommen und die Kundenbindung verbessere sich durch die intensive Beratung deutlich. „Den Kunden wird vor Augen gehalten, wie wichtig dieses Thema ist.“
Auch für das Team sei die Aktion ein Gewinn: „Durch die jährliche Wiederholung dieser Aktion, bleibt das Apothekenteam immer auf dem neuesten Stand. Wir haben sogar einen verstärkten Abverkauf von Impfstoffen verzeichnen können. Dies gilt besonders für Reiseimpfungen. Das Auswerten der Impfausweise hat dem Team auch viel Spaß bereitet und wir haben viel dazugelernt“, fasst Bergmann zusammen. Von unterschiedlichen Ausweismodellen über Impfstoffbezeichnungen, die schon lange nicht mehr im Handel sind, gab es für das Team viel Neues zu entdecken. Auch unterschiedliche Applikationsarten, wie zum Beispiel die Polio-Schluckimpfung oder die Pockenimpfung wurden wieder in Erinnerung gerufen.
„Wir haben aber auch gemerkt, dass diese Aktion erst ein wenig wachsen musste. Aber nach dem mehrmaligen Wiederholen der Aktion, warten die Kunden sogar schon auf den nächsten Termin und fragen sogar gezielt danach“, freut sich Bergmann. Für die Apothekerin ist klar: Mit dem Impf-Check ließe sich eine deutlich höhere Impfquote erreichen – ohne die Menschen zu zwingen.