Im Notfall vor Ort zu sein, ist eine Stärke der Apotheke. Wie wichtig die direkte Ansprache und eine empathische Beratung sind, zeigt sich immer wieder – Susanne Bormann erlebte dies bei mehreren Fällen in kürzester Zeit. Die Inhaberin einer Apotheke im Harz versorgte in ihrem jüngsten Sonntagsdienst eine vergiftete Mutter samt Kind mit Ultracarbon. Wenige Tage später deckte sie gleich mehrere falsche Verordnungen auf und leitete einen Rippenbruch zum Arzt weiter. „Kann das die Versandapotheke?“, fragt sie.
Bormann führt seit mehr als sechs Jahren die Apotheke im Nordharz-Center in Blankenburg im Harz. Vor etwa zwei Wochen war sie wieder mit Notdienst an der Reihe. Die Apothekerin erhielt einen Anruf, mit dem sich eine Frau ankündigte. Sie war Bormann zufolge wandern und auf die Idee gekommen, Eibe zu essen. Auch ihrem Sohn hatte sie etwas von der giftigen Pflanze gegeben. „Ich habe 20 Minuten vorher einen Anruf bekommen. Sie hatte den Giftnotruf informiert, nachdem ihr Kind im Anschluss über Bauchschmerzen geklagt hatte.“
Ihr wurde empfohlen, sich umgehend Ultracarbon zu besorgen. Eibe gilt als giftig bis hochgiftig. In den Nadeln und in den Samen befindet sich laut der Informationszentrale gegen Vergiftungen in hoher Konzentration Taxin. Nach dem Verzehr von Nadeln oder von mehr als zwei zerkauten Samen werden demnach Entgiftungsmaßnahmen wie Aktivkohlegabe oder Magenentleerung empfohlen. „Ich war fassungslos“, sagt Bormann. Es sei „dringend“ gewesen.
Deshalb rührte sie die genaue Menge vor Ort für die beiden an und half, den Jungen zu überzeugen, die Mischung zu trinken. Insgesamt dauerte die Beratung samt Herstellung etwa 30 Minuten. Abrechnen könne sie dafür den Preis für das Notfallarzneimittel sowie die Notdienstgebühr von 2,50 Euro. Zudem empfahl sie der Mutter, sicherheitshalber in ein Krankenhaus zu gehen.
Dringende Fälle gebe es immer wieder in Apotheken, sagt Bormann. „Ich bin froh, dass ich ein so empathisches und aufmerksames Team habe, dass richtig entscheidet.“ Natürlich sei es auch wichtig, Geld zu verdienen, gerade in der heutigen Zeit. Aber diese Leistungen seien nicht selbstverständlich. „Sie würden wegfallen, wenn alles online ablaufen soll.“
Beispiele, in denen Patientinnen oder Patienten in der Apotheke akut geholfen wurde, hat auch Bormann viele. Vor Kurzem sei eine Frau mit ihrer Mutter in die Apotheke gekommen, um sich eine Salbe gegen eine Rippenprellung zu holen. Doch die Inhaberin empfahl dringend, die Verletzung untersuchen zu lassen und vermutete eine Fraktur. Nach viel Überredungsarbeit habe die Seniorin eingewilligt, zum Arzt zu gehen. Die Vermutung habe sich im Nachhinein bestätigt. Die Tochter sei zurückgekehrt und habe sich deshalb bedankt.
Ebenfalls vor wenigen Tagen entdeckte Bormann bei einem anderen Kunden eine Ungereimtheit beim E-Rezept. Ihm war ein Gichtmittel verordnet worden, wovon er jedoch nichts wusste. Die Rückfrage in der Praxis habe ergeben, dass an diesem Tag die Arzneimittel von drei Patienten mit dem gleichen Namen auf den Karten vertauscht worden waren. „Das hätte gefährlich werden können.“
Bormann betont, dass diese zusätzlichen Leistungen keine Versandapotheke und keine Krankenkasse übernehmen könnten. „Das kann nur die Apotheke vor Ort. Wir haben so viele tolle Kollegen und es ist traurig, dass gar nicht gesehen wird, war wir leisten.“ Manchmal sei sie „wütend, manchmal traurig, manchmal erschöpft, aber immer sind wir an der Seite unserer Patienten“, betont die Apothekerin. Denn die Kundschaft würde wahrnehmen, was die Apotheken leisteten.
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