Nur wenige Approbierte beenden ihren Notdienst, ohne nicht mindestens einmal in Gedanken die Augen gerollt oder sich geärgert zu haben – sei es wegen Kundenfragen nach Früchtetee oder Windeln sowie der Lieferengpässe. Apotheker Ahmet Tekin verweigerte in einem seiner vergangenen Notdienste die Abgabe von Blasentee an eine Kundin. Der Grund: Die Symptome sprachen dafür, sie zum nicht weit entfernten Notarzt zu schicken. Trotz Kritik steht er hinter seiner Entscheidung.
Gleich morgens beim Feiertagsnotdienst am 3. Oktober gab es in der Brunnen-Apotheke in Rellingen Aufregung. Denn eine Kundin kam laut Tekin mit schweren Symptomen in die Offizin und fragte nach Harntee. Bei Abfrage der Symptome klang es nach einem Harnwegsinfekt und sie habe über Schmerzen geklagt. „Es hörte sich so an, als wäre es höchste Eisenbahn für sie, zum Arzt zu gehen.“
Der Apotheker verwies auf die Notdienstpraxis in der näheren Umgebung und verweigerte den Harntee. „Ich fand es unverantwortlich, ihr nur den Tee zu geben. Meine große Sorge ist in so einem Fall, dass sie nicht oder zu spät zum Arzt geht.“ Immerhin könne so eine Entzündung irreparable Schäden hervorrufen, betont er. Die Kundin konnte die Haltung des Apothekers nicht verstehen – beide kamen nicht auf einen Nenner und die Frau verließ die Apotheke nach etwa zehn Minuten Diskussion an der Klappe.
Kurz darauf rief der Mann der Frau an und fragte nach den Gründen. Tekin erklärte seinen Standpunkt erneut und habe sich anhören müssen, dass er den Verkauf von Harntee gar nicht verweigern dürfe. Allerdings gilt der Kontrahierungszwang in diesem Fall nicht, da es sich nicht um ein Rezept und ein verschreibungspflichtiges Medikament handelte. Zudem habe der Mann ihm gedroht, den Fall publik zu machen und ihn beschimpft.
Der Apotheker nimmt die Kritik gelassen. „Ich finde, dafür hat man nicht Pharmazie studiert und bräuchte den Apotheker nicht. Ein offenes Regal würde reichen und jeder nimmt sich einfach was raus.“ Auch die Reaktion von Kolleg:innen, die in so einem Fall zwar an den Arzt verwiesen, aber gleichzeitig den Tee abgegeben hätten, versteht er nicht. „Ich kann doch nicht einfach etwas abgeben und denken, nach mir die Sintflut“, sagt Tekin.
Auch in anderen Fällen – etwa wenn Eltern für ein Kind mit Bindehautentzündung homöopathische Mittel wollten, veweigere er die Abgabe und verweise dringend an den Arzt. Sein Standpunkt ist, dass die Kund:innen sonst in solchen Fällen eher auf den Gang in eine Praxis verzichteten. „Mir geht es dabei nicht darum, die 3,50 Euro zu verdienen. Ich weiß natürlich nicht, ob ich durch meine Verweigerung etwas bewirke, aber ich will nicht, dass sich die Menschen in falscher Sicherheit wiegen. Wir sind die Profis und ich möchte das persönlich nicht unterstützen.“
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