Auch große Apotheken müssen sparen

„Ich müsste eine Apothekerin entlassen“

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Berlin -

Heute ziehen die hessischen Apothekenteams auf den Frankfurter Opernplatz, während ihre Offizinen geschlossen sind. Bei dem zweitägigen Protest mitgemacht hätte auch Inhaber Michael Walch gerne. Das Problem: Er betreibt seine Apotheke im rheinland-pfälzischen Germersheim; sein Landesapothekerverband (LAV) hatte direkt nach der Protestankündigung der Nachbarn Argumente gebracht, die gegen eine Beteiligung sprachen. Walch richtet sich nun danach, macht am Donnerstag und Freitag nicht dicht. Wirklich glücklich ist er damit aber nicht. Denn auch wenn er eine gutlaufende, große und moderne Apotheke hat, bleibt am Ende nicht viel übrig. „Es muss mehr Druck in das System rein“, ist er überzeugt.

„Die Argumente des LAV sind verständlich und richtig, aber es gibt auch Argumente auf der anderen Seite und die sind auch richtig“, so Walch, der sich hin- und hergerissen fühlt. Den Protest der Hessen hält er für unterstützenswert, immerhin hätten andere Maßnahmen bisher nicht den gewünschten Erfolg gebracht. „Ich hab viel getrommelt in der Vergangenheit.“ So habe er sich erst kürzlich knapp eine Stunde mit Politiker Dr. Volker Wissing (FDP) unterhalten; Walch wohnt im Wahlkreis des Bundesministers für Digitales und Verkehr.

Auch Dr. Tobias Lindner von den Grünen hatte er zu Besuch und generell seien alle Gespräche mit Politiker:innen gut gewesen. „Alle, mit denen ich gesprochen habe, haben verstanden, zugehört, waren über vieles erstaunt“, berichtet Walch. „Lindner und Wissing waren sehr angefasst. Die konnten es kaum glauben“, so Walch und meint damit seine Zahlen, die er beiden vorrechnete. Doch an den entscheidenden Positionen fehle es an Handhabe. Besonders jetzt nach dem Skonto-Urteil und mit der drohenden Apothekenreform. „Aber selbst wenn wir mit den Politikern reden: Was passiert?“

Wenn dann alle zusammen

Es müsse mehr Druck geben, ist Walch überzeugt. „Ich wäre gern ganz vorne mit dabei. Ich würde direkt zu machen und bin absolut bei den Protesten der Hessen. Wenn wir zu lange warten, dann explodiert uns das unterm Hintern“, so Walch energisch. Für die Positionen seines LAV hat er jedoch auch Verständnis. „Aktionen haben immer eine größere Durchschlagskraft, wenn sie abgestimmt und gemeinsam, am besten bundesweit erfolgen. Alleingänge verpuffen oft in allenfalls regionaler Aufmerksamkeit“, erklärte der Verband seinen Mitgliedern.

„Wenn dann müssten man zusammen zu machen“, so Walch. „Eigentlich müsste das ganz Deutschland machen. In einem Bundesland bringt es nichts. Dieses Versäumnis ist der Abda anzukreiden.“ Nun könne nur noch das Parlament Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf seinem Irrweg aufhalten.

BWA macht sprachlos

Den Politiker:innen, mit denen Walch spricht, legt er inzwischen seine BWA vor. Den studierten Ökonom Lindner machte er damit sprachlos. Walch habe eine der größeren, umsatzstärkeren Apotheken, „trotzdem muss ich jeden Cent umdrehen“. Er mische nicht in der Pflege- oder Zytoversorgung mit, sondern lebe vom „normalen“ Geschäft. „Da ist nichts mehr zu optimieren. Mein größter Kostenblock ist das Personal. Natürlich könnte ich eine Apothekerin rausschmeißen. Dann hätte ich 80.000 Euro mehr.“ Aber das will Walch nicht. Sein Team sei toll, so wie es ist. Er würde niemanden missen wollen, auch keine seiner drei Approbierten.

Dabei habe ihm auch Lindner beim gemeinsamen Gespräch vorgerechnet, dass das Betriebsergebnis eigentlich bei mindestens dem Dreifachen des Gehaltes seiner Apothekerin liegen müsste. Aber davon ist die Apotheke Walch weit entfernt. Dabei sah es seit der Eröffnung der Apotheke Ende 2018 und der damit verbundenen Investitionen zu Beginn dieses Jahres erstmals so aus, als ob es jetzt nach oben ginge, so der Inhaber. Doch nun steht er durch das Skonto-Urteil noch schlechter da.

„Es ist deprimierend“

An diesem Tag hat er gerade dabei geholfen, spontan noch am Freitagmittag für eine Patientin, die in der Kurzzeitpflege ihre Medikamente braucht, eine Lösung zu finden. „Das ist Berufsethos, da hängt man sich rein“, so Walch. „Dass dieses Engagement nicht gewürdigt wird, ist pervers. Lauterbach versucht, uns zu erpressen. Es ist deprimierend, weil es einfach so eine Unfairness ist.“

Von den Erleichterungen, die die Reform vorsieht, würden eventuell ein paar wenige „genau das aus der Reform nutzen, um wirklich Versorgungsstrukturen zu schaffen. Alle anderen werden das schamlos ausnutzen und womöglich andere Kolleginnen und Kollegen schädigen“, ist Walch überzeugt. „Ich bin jetzt 42 Jahre alt. Wenn ich jetzt 60 wäre, würde ich fürs System keinen Finger mehr krumm machen.“

Drohender Kundenandrang nicht zu meistern

Wie bisher kann es bei Walch jedenfalls nicht weitergehen. Viele Stellschrauben hat er jedoch auch nicht mehr. Er ist derzeit bei Noweda und Phoenix – „ich werde jetzt AEP ins Boot holen“. Zu spüren sind die vielen Umstände auch in den Teams. „Es bricht gerade ein Krieg aus zwischen allen Teammitgliedern. Lauterbach will Unruhe reinbringen.“ Ziel erreicht, könnte man sagen. „Wenn da bis August, September nichts passiert, dann sehe ich schwarz. Dann wird es zum Jahresende viele Schließungen geben.“

Seine eigene Apotheke wird überleben, da ist er sich sicher. Aber wie sich das Geschäft durch die Krise verändern? „Meine Apotheke wird es am Ende des Tages nicht erwischen, aber andere vielleicht. Dann habe ich 500 bis 600 Kunden am Tag hier – wie soll ich die Arbeit skalieren?“, fragt sich der Inhaber. Soll dann nach drei Minuten die Beratungszeit pro Patient:in ablaufen, weil alles andere defizitär wäre? „Das geht doch nicht mit dem Berufsethos einher“, so Walch. Und dieses Dilemma könne auch der Versandhandel nicht auffangen, ist er sich sicher.

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