Inselapotheker

„Ich liebe meine 122 Notdienste“

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Berlin -

Thorsten Knoke erfüllte sich seinen Lebenstraum von einer Apotheke im Urlaubsparadies. Allerdings muss er auf der Nordseeinsel Föhr dafür auch Marathonbereitschaften in Kauf nehmen. Doch im Gegensatz zu manchen seiner Kollegen liebt er die langen Notdienstwochen geradezu.

Knoke leitete 2011 eine entscheidende berufliche Wende ein. „Ich besaß zu diesem Zeitpunkt bereits zehn Jahre eine Apotheke in Garbsen bei Hannover“, berichtet er. „Dann lief alles zur selben Zeit aus, der Mietvertrag ebenso wie die Computerleasingvereinbarungen. Eigentlich wollte ich die Räume grundlegend renovieren, da sah ich eine Anzeige für eine frei werdende Apotheke in Wyk auf Föhr.“ Auf einer Insel sein Quartier aufzuschlagen, sei immer sein Traum gewesen. „Ich dachte, da schreibe ich einfach mal hin.“ Ein Jahr später eröffnete die Kur-Apotheke unter seiner Leitung neu.

Die Umstellung von Festland auf Insel sei schon enorm gewesen. „In Garbsen war ich Betreiber von einer unter 20 Apotheken für eine 60.000-Einwohner-Stadt“, sagt Knoke. „Hier im Hauptort Wyk gibt es insgesamt drei Apotheken, aber wir versorgen die ganze Insel mit ihren 9000 Einwohnern. Über die Saison verteilt kommen noch 200.000 Gäste hinzu.“ In diesen Monaten bekäme sein Team ordentlich zu tun. „Wir haben schon mal über 300 Kunden am Tag. Von November bis Januar ist es hier dagegen tot, da kommen höchstens 20 Kunden.“

Für die Versorgung der Einwohner in den Dörfern außerhalb von Wyk sei ein Botendienst unerlässlich. „Wir fahren täglich etwa 60 bis 100 Kilometer quer über die Dörfer.“ Die Patienten seien da mittlerweile recht verwöhnt. „Kaum haben wir ihre Bestellung ausgeliefert, fällt ihnen am nächsten Tag wieder etwas neues ein. Da fährt man dann wieder raus.“ Der Service bleibe kostenlos, auch wenn er sich natürlich nicht rechne. „Aber man sieht ja, was die Leute im Internet bestellen. Wir haben gute Verbindungen zum Paketboten, der fragt uns: ‚Wisst ihr eigentlich, was wir täglich von den Versandapotheken ausliefern?‘“ Da nehme man stillschweigend den kostenintensiven Lieferdienst in Kauf. „Dafür haben wir im Handverkauf nicht so den Preisdruck wie auf dem Festland. Wir müssen nicht eine Rabattaktion nach der anderen fahren, um untereinander konkurrenzfähig zu bleiben.“

Überhaupt sei die Zusammenarbeit mit den beiden anderen Apothekern sehr kollegial. „Wenn irgendetwas fehlt, rufen wir beieinander an.“ Der enge Austausch habe sich schon in mancher Ausnahmesituation ausgezahlt. „Jedes Jahr haben wir auf Föhr ein Zeltlager mit 700 Jugendlichen. An einem Samstagmorgen stellte der Notarzt hier einen Krätzeausbruch fest“, erzählt der Kur-Apotheker. „Mein Großhändler hatte das Gegenmittel nicht in der erforderlichen Menge vorrätig, der Großhändler eines Kollegen konnte dagegen liefern. Noch am Nachmittag des selben Tages konnten wir die Jugendlichen versorgen.“

Auch den Notdienst teilen die Inselapotheken einträchtig untereinander auf. In der Kur-Apotheke ist das Chefsache. „Ich habe zwar eine approbierte Kollegin, sie vertritt mich auch, wenn ich mal Urlaub habe, aber sie übernimmt sonst keine Notdienste.“ Knoke wechselt sich wochenweise mit seinen Kollegen ab. „Ich gehe am Freitag Morgen um halb neun in die Dienstbereitschaft und gebe sie erst am nächsten Freitag zur selben Uhrzeit wieder ab. Bei ungünstiger Verteilung der Woche ist dann auch ein Dienst an allen Weihnachtsfeiertagen möglich.“

Nachts sei er der einzige erreichbare Apotheker auf der gesamten Insel. „Die Fähren zum Festland fahren dann nicht. Der Kunde bekommt sein Medikament nirgendwo anders. Entsprechend müssen wir ein großes Medikamentenlager vorhalten.“ Von Samstagmittag bis Montagmorgen leiste er seinen Dienst ganz alleine. „Am Ende der Woche bin ich dann mehr als fertig“, bekundet der Apotheker. Dafür sei der Komfort auf Föhr ein ganz anderer als in Garbsen. „In meiner alten Apotheke habe ich den Notdienst in der Apotheke verbracht“, berichtet der Inselapotheker. „Hier auf Föhr gehe ich nach dem regulären Feierabend eine Etage höher in meinen Bereitschaftsraum. Der ist wie eine kleine Wohnung, auf 50 Quadratmeter habe ich Wohn-, Schlaf- und Badezimmer und muss nur runter, wenn es klingelt.“

Der Andrang halte sich in Grenzen: „In der Regel habe ich fünf bis sechs Kunden über die Nacht verteilt, es kann schon mal passieren, dass ich eine halbe Nacht ungestört bleibe.“ Ärgerlich seien vor allem manche Anliegen der Gäste von außerhalb: „Wenn die letzte Fähre kommt, fällt den neu angekommenen Touristen häufig ein, dass sie ihre Zahnbürste oder Medikamente vergessen haben“, erzählt Knoke. „Wir liegen direkt an der Strandpromenade mit vielen Kneipen, manche fragen dann gegen Mitternacht bei mir, welche von ihnen noch auf hat.“ Aber das seien zum Glück nur wenige Ausnahmen. „Den Einheimischen ist es dagegen richtig peinlich, wenn sie bei mir klingeln müssen, sie entschuldigen sich mindestens 23 Mal. Das sind dann auch wirkliche Notfälle.“

Ein Hohelied singt Knoke auf die Zusammenarbeit von Arzt und Apothekern. „Der Austausch erfolgt auf Augenhöhe. Eine Notärztin lebt regelrecht für die Menschen hier. Es kann schon mal vorkommen, dass sie nachts mit einem gerade versorgten Patienten vorbeikommt und mich um Rat fragt, welches Medikament ich denn empfehlen würde“, berichtet Knoke. In seinen Jahren in der Gegend von Hannover habe er so etwas nie erlebt. „Hier erfährt der Patient quasi live vor Ort, wie gut der Notdienst funktioniert.“ Solche Erlebnisse motivierten auch ihn. Trotz aller Anstrengungen: „Ich liebe meine 122 Notdienste!“

In sein altes Leben auf dem Festland will Knoke denn auch nicht mehr zurück. „In der alten Apotheke stand ich unter der Woche von 7 bis 18.30 Uhr in der Offizin. Dann habe ich noch die Heimversorgung gemacht und zusätzlich 50 bis 60 Vorträge pro Jahr zum Thema Ernährung gehalten“, erinnert er sich. „Hier schließe ich um 18 Uhr zu und wechsele direkt in den Urlaubsmodus, weil unsere Apotheke so nah am Strand liegt.“ Die Dankbarkeit der Menschen sei eine ganz andere als auf dem Festland: „Ich finde es schön, den Menschen zu helfen, man sieht einfach, dass die Leute froh darüber sind.“

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