Hurra, eine Tourismusabgabe! Silvia Meixner, 04.04.2018 14:57 Uhr
Für die meisten Unternehmer ist „Tourismusabgabe“ ein Angstwort. Apotheker Christian Richter aus dem brandenburgischen Bad Wilsnack sieht das anders. Er freut sich auf die Abgabe, die 2019 kommen soll.
„Ich halte eine Tourismusabgabe für sehr sinnvoll“, sagt Richter, der seit 20 Jahren die Stadt-Apotheke betreibt. „Bad Wilsnack ist ein Kurort, wir haben eine große Therme mit über 350.000 Gästen pro Jahr. Rund 35.000 Besucher kommen zudem jährlich, um die Blutkirche zu sehen. Bisher fehlt es unserem Ort an touristischen Strukturen.“
Die sollen mit Hilfe der Tourismusabgabe nun geschaffen werden. Derzeit erarbeiten Politiker eine Satzung, in der genau festgelegt werden soll, nach welchen Kriterien sich Unternehmen beteiligen sollen. „Mitmachen sollen alle, die vom Tourismus Vorteile haben“, sagt der Apotheker, „niemand wird geschäftsgefährdend belastet.“ Er schätzt, dass er 70 bis 80 Euro im Jahr bezahlen soll.
Er profitiert von den Touristen. „Pilger kommen zum Beispiel mit wunden Füßen, andere Kunden brauchen ein wasserfestes Pflaster für ihren Besuch in der Thermen. Ich bin gerne bereit, dafür die Tourismusabgabe zu bezahlen. Wir geben das Geld ja nicht ohne Gegenleistung aus.“ Von Protesten gegen die Neueinführung hat er bislang nichts gehört. „Wir müssen den Gästen Qualität bieten“, sagt er. Mit dem Geld, das rund 50 Unternehmen bezahlen sollen, könnten laut Plänen der Politik und des Stadtmanagements etwa Broschüren oder ein Gastgeberverzeichnis finanziert werden. Für die rund 2500 Einwohner eine, wie Richter findet, gute Investition.
„85 Prozent unserer Touristen sind Tagesgäste“, sagt er. Der Ort liegt in der Mitte der Bahnstrecke Berlin-Hamburg, viele Besucher kommen aus der Hauptstadt. Die Tapferen wandern, für den 120 Kilometer langen Pilgerweg schlägt der Apotheker fünf Tage vor. Mit der Bahn braucht man rund eine Stunde.
Mit dem Wander- und Pilgerboom der vergangenen Jahren stieg auch die Besucherzahl in Bad Wilsnack. Richter engagiert sich in der evangelischen Kirchengemeinde. „Ich kümmere mich mit vielen anderen gemeinsam ehrenamtlich um das Kirchendenkmal, wir sammeln Geld für die Erhaltung und ich führe unter anderem Gäste durch die Stadt.“ Die hören oft staunend, dass das kleine Bad Wilsnack dereinst der viertwichtigste Pilgerort Europas war. „Man nannte es das Santiago des Nordens.“
Ehrfürchtig lauschen Besucher der Legende der Wunderblutkirche, wonach im Sommer des Jahres 1383 nach einem Brand in den Kirchentrümmern drei vom Feuer unversehrte Hostien mit Blutflecken gefunden wurden. Schon bald ereigneten sich weitere Wunder und die Menschen begannen, nach Bad Wilsnack zu pilgern. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts war der Ort eines der berühmtesten Wallfahrtsziele, die Stadt boomte, die Menschen wurden wohlhabend. Im Jahr 1552 fand alles ein jähes Ende, nachdem Joachim Ellefeld, der erste protestantische Prediger Wilsnacks, die Reste der drei Bluthostien ins Feuer warf.