Am 6. Juni eröffnet in Hundheim die zweite digitale Rezeptsammelstelle in Baden-Württemberg, die dritte bundesweit. Die Külsheimer Stadtapoptheke tauscht ihre bisherige Briefkastenbox gegen die neue Technik aus. Nicht unter der Obhut des Landesapothekerverbandes, sondern auf eigene Initiative und Rechnung: „Das ist genial, damit kann ich meine Kunden noch schneller beliefern“, freut sich Apothekerin Angela Haegele-Weber.
Aufmerksam geworden ist die 60-jährige Apothekerin auf die neue Technik durch die Präsentation der digitalen Rezeptsammelstelle auf der Expopharm in München im September 2017. Mit dem Rechenzentrum VSA ist sie schnell ins Gespräch und dann ins Geschäft gekommen. Installiert wird in Hundheim ein Modell aus der Pilotbaureihe, das bereits in Neidlingen reibungslos funktioniert.
„Ich habe mit der VSA eine Probezeit von drei bis sechs Monaten vereinbart, dann sehen wir weiter“, erzählt Haegele-Weber. Wie viel sie für die digitale Rezeptsammelstellen bezahlt, will die Apothekerin nicht verraten. Nur so viel: „In der Testphase gibt es einen Sonderpreis, anschließend wird erneut verhandelt.“ Installiert wird die neue Box im Foyer des Gemeindezentrums von Hundheim. „Der Bürgermeister hat mich sehr unterstützt.“ Dort steht sie sicher und wettergeschützt. Der Rezeptbriefkasten war etwas entfernt in einer anderen Straße befestigt.
Sinkende Rezeptzahlen wie in Neidlingen fürchtet Haegele-Weber trotzdem nicht: „In Hundheim gibt es keinen Arzt.“ In Neidlingen war die Anzahl der Rezepte nach der Installation der neuen Rezeptsammelstelle in der dortigen Sparkasse gesunken. Eine exakte Statistik führte Apothekerin Tilla Frank-Neumeyer von der Stadt Apotheke in Weilheim nicht: „Aber gefühlt sind es etwas weniger Rezepte.“ Das führt die Apothekerin auf den neuen Standort zurück. Der liegt nicht mehr direkt neben der Arztpraxis in Neidlingen. „Wenn die Leute sowieso ins Auto steigen, dann fahren sie gleich durch zur Apotheke.“ Dafür gibt es in Hundheim keinen Anlass.
„Es ist mir wichtig, meinen Kunden einen noch schnelleren und damit besseren Service zu bieten“, begründet Haegele-Weber ihren Schritt. Davon verspricht sie sich eine noch engere Kundenbindung und „vor allem gibt es keinen Grund mehr, bei einer Internetaptheke zu bestellen.“ Jetzt könne sie noch am gleichen Tag die bestellten Arzneimittel ausliefern, in dringenden Fällen sogar innerhalb von ein bis zwei Stunden, sagt die Apothekerin, die seit 1985 die Külsheimer Stadtapotheke führt.
Es seien die Zeichen der Zeit, die man sehen müsse, denn die Konkurrenz schlafe nicht, sagt Haegele-Weber. Namentlich meint sie die Internetapotheken, die den klassischen Apotheken die Kundschaft streitig machen. „Und dann ist da noch die Arzneimittelsicherheit“, betont die Apothekerin. So dürften zum Beispiel manche Medikamente nur bei maximal 20 Grad transportiert werden, was auf dem Postweg kaum sicherzustellen sei – und vor allem dürften sie ausschließlich an die Adressaten persönlich geliefert werden. Bei „normaler“ Zustellung würden die Päckchen auch schon mal beim Nachbarn abgegeben oder gleich nur vor der Haustür abgelegt. Das hält sie für „absolut unverantwortlich“.
Ganz wichtig sei zudem, dass die durch die Külsheimer Stadtapotheke gelieferten Medikamente nicht ungeprüft herausgegeben würden. Das digitale Terminal behalte die Originale der Rezepte ein. Der Apothekenbote prüfe und vergleiche diese noch vor der Auslieferung. Erst wenn alles passe, dann werde das Medikament auch wirklich herausgegeben. Mehr noch: Die digitale Rezeptsammelstelle sei eine gute Sache, weil sie viele ältere Menschen auf den Dörfern erreiche, die kein eigenes Smartphone hätten. Vorteile sieht Haegele-Weber aber auch für ihre Apotheke, weil ihr Botendienst seltener fahren müsse.
Die digitale Rezeptsammelstelle in Hundheim ist die dritte ihrer Art bundesweit: Am 25. Januar gingen in Baden-Württemberg und im Saarland die ersten beiden digitalen Rezeptsammelstellen in den Probebetrieb. In Neidlingen südöstlich von Stuttgart läuft die Technik reibungslos. Allerdings ist dort die Zahl der Rezepte gesunken. In Heusweiler-Kutzhof im Saarland hatte die neue Box zunächst mit der kalten Witterung zu kämpfen.
Das sogenannte „callmyApo“-Terminal in Baden-Württemberg ermögliche es Patienten, einfach und sicher ihre ärztliche Verordnung elektronisch an die zuständige Apotheke zu senden, so der Landesapothekerverband. Dazu startet der Patient auf dem integrierten Touch-Bildschirm den Vorgang und führt sein Rezept in den dafür vorgesehenen Schlitz ein. Zur Bestätigung der digitalen Übertragung erhält der Patient einen Quittungsbon, auf dem die Vorbestellnummer und die Kontaktdaten der Apotheke zu finden sind. Bei Bedarf kann der Patient auch direkt über das Terminal eine Nachricht an die Apotheke schreiben.
Entwickelt wurde die Technik von den Noventi-Töchtern VSA und Awinta. Das gescannte Rezept gelangt zunächst in die Datenhoheit von VSA, wird aber getrennt von der Rezeptabrechnung verwaltet und verarbeitet, versichert VSA-Geschäftsführer Herbert Wild. Der digitale Briefkasten kann als Rezeptsammelstelle auch von Apotheken betrieben werden, die keine Kunden von VSA/Awinta sind. Allerdings müssen sie zum Betrieb die „CallmyApo-App“ der Noventi Gruppe nutzen. Entstanden ist die Idee zur digitalen Rezeptsammelstelle anlässlich eines verspäteten Heimfluges von von Fritz Becker, Chef des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg. Nach einem Gespräch mit Politikern über die Versorgung ländlicher Regionen mit Rezeptsammelstellen bei Akutfällen habe er sich überlegt: „Wie können wir das schneller machen? Wir brauchen einen Briefkasten mit Computer dahinter.“ Eingesetz werden soll die neue Rezeptsammelstelle nur an bereits genehmigten Standorten. In Baden-Württemberg gibt es derzeit 112 Rezeptsammelstellen.
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