AOK macht Ernst

Hunderte Apotheken verklagt

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Berlin -

Aus Angst vor der Verjährung möglicher Ansprüche haben einige Krankenkassen ihre Warnung in die Tat umgesetzt und Apotheken verklagt. Allein die AOK Hessen hat nach eigenen Angaben „eine Anzahl von Klagen im deutlich dreistelligen Bereich eingereicht“. Zwar bieten die Kassen den Apothekern an, die Verfahren zunächst ruhend zu stellen – wollen ihre Ansprüche aber im Erfolgsfall auch noch verzinst haben. Darauf dürften sich die Verklagten kaum einlassen.

Die AOKen aus Hessen, Niedersachsen, Rheinland/Hamburg und Sachsen-Anhalt sowie die IKK gesund plus und die IKK Südwest hatten von den Apotheken im Dezember den Verzicht auf die Einrede der Verjährung bei der umsatzsteuerlichen Behandlung von Herstellerabschlägen gefordert. Hintergrund ist eine Entscheidung des Finanzgerichts Münster, wonach Kassen keine Umsatzsteuer auf Herstellerabschläge bezahlen müssen. Die Sache liegt noch beim Bundesfinanzhof (BFH), die Kassen fürchteten zum Jahreswechsel aber eine Verjährung etwaiger Rückforderungsansprüche für 2015 gegenüber den Apothekern.

Weil ein Verfahren vor dem Sozialgericht den Eintritt der Verjährung hemmt, hatten die Kassen eine Klage angedroht, sollten die Apotheker die kurzfristig verlangte Verzichtserklärung nicht abgeben. Das wurde Ende Dezember noch schnell wahr gemacht. So teilte ein Sprecher der AOK Hessen auf Nachfrage mit: „Wir haben eine Anzahl von Klagen im deutlich dreistelligen Bereich eingereicht, nachdem nur ein Bruchteil der von uns angeschriebenen Apotheken eine Verzichtserklärung abgegeben hat.“

Die AOK Sachsen-Anhalt hat einem Sprecher zufolge rund 400 Apotheken angeschrieben und die Abgabe der Verzichtserklärung erbeten. „Die Mehrheit der Apotheken hat entsprechend reagiert, so dass hier eine fristhemmende Klage nicht erforderlich war. In den anderen Fällen wurden die Apotheken verklagt“, so der Sprecher. Weitere Angaben könne man aufgrund der laufenden Verfahren nicht machen. Auch die IKK gesund plus hat nach eigenen Angaben Klagen eingereicht, will aber zu Details ebenfalls nichts sagen.

Die Kassen haben mitgeteilt, dass den Apotheken angeboten wurde, die Verfahren ruhend zu stellen, bis der BFH in der anderen Sache entschieden hat. Aus Sicht der AOK taugt der ausstehende Spruch aus München als Referenzurteil für die eigenen Ansprüche. Unter den Steuerberatern der Apotheker wird diese Sichtweise ziemlich deutlich bestritten. Die Treuhand Hannover hatte den Kassen sogar die für die eigenen Mandanten erstellte Einschätzung zukommen lassen, wonach unabhängig vom Ausgang des BFH-Urteils keine Ansprüche entstehen. Doch unbeeindruckt davon wie von der Tatsache, dass die allermeisten Kassen inklusive aller großen Ersatzkassen keine Forderungen stellen, haben die AOKen den Klageweg jetzt angestrebt.

Das Ruhenlassen wird in den Klageschriften tatsächlich mit beantragt. Im Übrigen stellt die Kasse nur ihre jeweilige Forderung gegen die Apotheker. Begründet ist der Antrag nicht weiter. Dafür beansprucht etwa die AOK Hessen für ihre Rückforderungen auch Zinszahlungen – die üblichen 5 Prozentpunkte über dem Basiszins. Da die anderen aktiv gewordenen AOKen im Vorfeld gleich agiert haben, ist davon auszugehen, dass auch diese Forderung entsprechend gestellt wird. Hierzu liegt der Redaktion allerdings noch nichts vor.

Für die Apotheker ist die Zinsforderung durchaus relevant, denn bis zu einer endgültigen Klärung vor den Sozialgerichten – nach erfolgter BFH-Entscheidung – können schnell einige Jahre ins Land gehen. Sollten den Kassen als wider Erwarten doch Ansprüche zustehen, müssten die verklagten Apotheker neben den Prozesskosten auch noch Zinsen zahlen.

Zunächst werden sie jetzt von dem jeweiligen Sozialgericht angeschrieben. Dabei können sie hier noch korrigierend eingreifen und dem Ruhenlassen nur unter der Bedingung zustimmen, dass die Zinsfrage ausgeklammert wird. Dem Vernehmen nach wird sich die Treuhand auch in dieser Richtung bei den Kassen für die eigenen Mandanten einsetzen.

Auch andere Steuerberater hatten ihren Mandanten vor dem Jahreswechsel empfohlen, die Erklärung wenn überhaupt, dann auf die änderbaren Steuerfestsetzungen 2015 zu beschränken. Die Steuerberater der Kanzlei Schneider + Partner hatten sogar davor gewarnt, die Verzichtserklärung wie von den Kassen gefordert abzugeben, „da sie sachlich mehrfach unrichtig ist“. Die Steuerberater sehen zudem überhaupt keinen Sinn in der Forderung, da die steuerliche Belastung unabhängig vom Ausgang des Verfahrens vor dem BFH für die Kassen exakt gleich wäre. „In der Summe bleibt die Gegenleistung nach jetziger Handhabung unverändert“, so Scheider + Partner. Die Kanzlei hat dazu eine Beispielrechnung vorgelegt.

Tatsächlich ist auffällig, dass die allermeisten Kassen, darunter große AOK und sämtliche Ersatzkassen, keine entsprechenden Forderungen stellen. Die Einschätzung des GKV-Spitzenverbands gegenüber APOTHEKE ADHOC: „Einen Anspruch der Krankenkassen auf entsprechende Rückzahlungen und darauf, dass Apotheken ihre Umsatzsteuersachverhalte in diesem Zusammenhang offen halten, gibt es bisher nicht. Etwas anderes ist, im Rahmen der laufenden Vertragsbeziehungen auf den Vertragspartner zuzugehen und darum zu bitten, dass die Apotheken die Umsatzsteuerbescheide offen lassen. Das machen auch bereits einige Krankenkassen. Jede Kasse wird und muss hier ihren eigenen Umgang mit der Thematik finden.“

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