Humanproteine in Vaxzevria: Nebenwirkungen durch Verunreinigungen? Alexandra Negt, 27.05.2021 12:34 Uhr
Gestern wurde über Verunreinigungen im AstraZeneca-Impfstoff berichtet. Doch nicht etwa durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) oder eine andere zuständige Behörde, sondern durch die Universität Ulm. Forschende hatten dort zu hohe Proteingehalte mittels verschiedener biochemischer Methoden ausfindig machen. Der Leiter der Abteilung Gentherapie der Ulmer Universitätsmedizin, Professor Dr. Stefan Kochanek, erklärt, was es mit den Proteinen auf sich hat.
Verunreinigungen im AstraZeneca-Impfstoff – diese Nachricht kam gestern von der Universität Ulm. Es geht um einen zu hohen Proteingehalt. „Neben Proteinen des adenoviralen Vakzins selbst fanden sie beträchtliche Mengen menschlicher Proteine und auch regulatorischer viraler Proteine, die nicht Teil des Impfstoffs sind“, teilte die Universität mit. Meldungen an das PEI und die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) seien bereits erfolgt.
Aber weshalb sind diese Verunreinigungen beim Hersteller oder beim PEI nicht aufgefallen? „Im letzten Detail kann man diese Frage nicht beantworten, weil wir nicht in das Zulassungsverfahren involviert waren“, erklärt Kochanek. Doch es gebe Hinweise darauf, dass die genutzten Verfahren nur bedingt geeignet waren: „Uns ist aufgefallen, dass ein bestimmtes Verfahren (ELISA zur Detektion von Host Cell Proteinen), das standardmäßig für andere Biopharmazeutika zum Ausschluss von Verunreinigungen mit Komponenten aus der Produktionszelle (z.B. Antikörper) verwendet wird und wohl auch vom Unternehmen verwendet wurde, offenbar in diesem Fall nicht geeignet ist zum Nachweis der Kontamination.“ Diese und weitere Erkenntnisse wurden detailliert innerhalb der Publikation thematisiert.
Was sind Hitzeschockproteine und woher stammen sie?
„Hitzeschockproteine sind zelluläre Proteine, die in großen Mengen in Zellen vorhanden sind“, erklärt Kochanek. Es könne sein, dass diese Proteine während des Herstellungsprozesses entstanden seien. „Zusätzlich ist es wahrscheinlich, dass die Bildung während des Produktionsvorgangs noch weiter stimuliert wird, weil sie wichtig sind für die Faltung von Proteinen, insbesondere wenn auch viel Protein produziert wird.“ Vektorimpfstoffe wie Vaxevria bedienen sich einem für den Menschen ungefährlichen Vektorvirus, um das benötigte Antigen, hier das Spike-Protein von Sars-CoV-2, in die menschliche Zelle zu überführen. „Letztlich scheint es so, dass man diese Hitzeschockproteine sowie andere häufige zelluläre Zytoskelett-Proteine und auch bestimmte virale Proteine während der Aufreinigung nicht vollständig losgeworden ist.“
Lösen die Proteine Impfreaktionen oder Nebenwirkungen aus? „Aktuell können wir keine direkte Verbindung herstellen zwischen den gefundenen Proteinen und schweren Nebenwirkungen, insbesondere den relativ seltenen, aber dennoch im Zusammenhang mit den Adenovirus Impfstoffen stehenden Sinusvenenthrombosen. Wir können aktuell aber auch nicht ausschließen, dass es eine Verbindung geben könnte“, so Kochanek. Hierfür sollen weitere Untersuchungen angeschlossen werden. „Beides – Ausschluss oder doch Nachweis – ist Gegenstand unserer aktuellen Forschung und auch der Forschung anderer Arbeitsgruppen.“
Der Professor will einem möglichen Zusammenhang zwischen erhöhtem Proteingehalt und möglichen Impfreaktionen gemeinsam mit seinem Team weiter nachgehen. „Es könnte auch sein, dass die relative starken Impfreaktionen in den ersten zwei Tagen nach Impfung vielleicht etwas mit den gefundenen Proteinen zu tun haben, ist allerdings auch nicht nachgewiesen und schwierig zu zeigen.“
Liegt eine Grenzwertüberschreitung vor?
Die Informationen über eventuelle Überschreitungen der Grenzwerte sind nicht öffentlich einsehbar. Information dazu, welche Prüfparameter und Spezifikationen für den Vektorimpfstoff seitens AstraZeneca festgelegt worden sind, liegen nur intern vor. Laut Kochanek ist aber davon auszugehen, dass die gefundenen Mengen an aus der Produktionszelle stammenden Proteinen deutlich höher sein könnten als gewünscht: „Ich denke, nun ist es insbesondere an der EMA, eine Bewertung vorzunehmen und eventuelle Konsequenzen durchzuführen.“
Wie so oft in der Wissenschaft kamen Kochanek und seine Kolleg:innen durch Zufall zu den Ergebnissen. Denn eigentlich ging es den Forschern um die Nebenwirkungen und wodurch sie ausgelöst wurden. Vor dem Hintergrund der Sinusvenenthrombosen starteten sie ihre Untersuchungen. „Es war ein wenig ein Zufallsbefund, nachdem wir etwas ratlos und skeptisch gegenüber der damaligen Erklärungsmöglichkeiten in Bezug auf die Nebenwirkungen waren. So wollten wir eigentlich nur sicherstellen, dass auf dieser groben Ebene (Silberfärbung nach Proteingeleketrophorese) soweit ‚alles in Ordnung‘ ist.“
Nun stellt sich die Frage nach der Beeinträchtigung der Wirksamkeit. Ob die Zulassung des Vektorimpfstoffes zu früh war, kann aktuell nicht eingeschätzt werden. Weitere Untersuchungen müssten zunächst zeigen, ob der hohe Proteingehalt die Wirksamkeit und die Verträglichkeit beeinflussen könne. Im nächsten Schritt müssen die zuständigen Behörden (PEI und EMA) die Verunreinigungen überprüfen und Stellung beziehen.