Honorargutachten: Apotheker hält dagegen Lothar Klein, 03.01.2018 15:15 Uhr
Das im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) erstellte Honorargutachten hat die Apotheker aufgeschreckt. Die 2hm-Gutachter kommen zu dem Schluss, dass die Apotheker deutlich zu viel Honorar kassieren: 1,24 Milliarden Euro wollen die Gutachter durch eine Umstellung jährlich abschöpfen. Als Vergleichsmaßstab dient das Gehalt eines leitenden Klinikapothekers. Viel zu wenig, schimpft der Stuttgarter Apotheker Werner Ernst und rechnet den Experten in seinem „Gegengutachten“ betriebswirtschaftliche Defizite vor.
Im Honorargutachten finde er „überhaupt nichts über die Amortisation des Kaufpreises für eine Apotheke“, kritisiert Ernst die Gutachten für den gewählten Vergleich mit dem Einkommen eines Klinikapothekers und weiter: „Wenn ich heute eine Apotheke kaufe oder neu gründe, brauche ich mindestens 500.000 Euro plus Warenlager.“ So ähnlich waren seine Erfahrungen bei einer Neugründung im Jahr 2012.
Vor fünf Jahren eröffnete er die Laralex-Apotheke Killesberg im neu entstandenen Einkaufszentrum Killesberg Höhe auf dem alten Messegelände in Stuttgart. In der Landeshauptstadt und Ludwigsburg betreibt Ernst gemeinsam mit seiner Frau Dr. Susanne Ernst sieben Apotheken. Inzwischen ist auch seine Tochter Dr. Alexandra Ernst ins elterliche Apothekennetz eingestiegen.
Mit dem Honorargutachten hat der in betriebswirtschaftlichen Fragen versierte Apotheker und Unternehmer so seine Schwierigkeiten: Das Einkommen eines Klinikapothekers als Maßstab für die Honorarberechnungen anzusetzen, hält Ernst für realitätsfern und macht seine Gegenrechnung auf: Der Staat erlaube ihm immerhin die Investition von 500.000 Euro steuerlich abzuschreiben, da davon auszugehen sei, dass nach der Abschreibungszeit das Wirtschaftsgut ersetzt werden müsse.
„Zur Vereinfachung nehme ich eine durchschnittliche Abschreibungszeit von 10 Jahren an“, so Ernst in seiner Gegenrechnung. Üblich seien für die EDV 3 Jahre, für die Einrichtung 8 Jahre und das Labor 14 Jahre.
Das bedeutet: „Ich kann zehn Jahre lang je 50.000 Euro vom zu versteuernden Einkommen abziehen, und spare beim Höchststeuersatz, den ja alle Apotheker locker erreichen, pro Jahr 25.000 Euro – das ergibt also 250.000 Euro in zehn Jahren.“ Da er die restlichen 250.000 Euro aus seinem bereits versteuerten Einkommen bezahlen müsse, benötige er nochmals 500.000 Euro Gewinn, „so dass mir nach Steuern die restlichen 250.000 Euro bleiben“.
Unter dem Strich benötige er daher ein deutlich höheres Einkommen als ein Klinikapotheker: „Ich muss also in 10 Jahren 500.000 Euro mehr verdienen als der Krankenhausapotheker in leitender Stellung, der ohne wirtschaftliches Risiko arbeitet.“ Daraus folgt für Ernst: „Krankenhausapothekergehalt plus 50.000 Euro – wir verdienen zu wenig.“ Äpfel mit Birnen zu vergleichen sei immer schwierig, räumt Ernst ein: „Die Gutachterrechnung wäre also nur einigermaßen schlüssig, wenn uns der Staat oder die GKV eine voll eingerichtete Apotheke zu heutigen Mietpreisen zur Verfügung stellen würde.“ Angesetzt hatten die Gutachter für einen leitenden Klinikapotheker ein Jahresgehalt von knapp 100.000 Euro.
Nicht nur Apotheker Ernst sieht das Gutachten mit Sorge. Laut einer aktuellen Umfrage von APOSCOPE rechnet eine Mehrheit der Inhaber (58 Prozent) damit, dass sich ihr Honorar infolge des Gutachtens im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) verschlechtern wird. 48 Prozent von ihnen befürchten, dass das Apothekenhonorar schon im laufenden Jahr gekürzt wird. 38 Prozent gehen zumindest 2018 noch von einer Stagnation aus. An eine Erhöhung des Honorars im Laufe des Jahres glaubt derzeit niemand.
Kurz vor Weihnachten hatte das BMWi das Honorargutachten kommentarlos auf seiner Internetseite veröffentlicht. Auf 256 Seiten widmen sich die Experten der beauftragten Unternehmensberatung 2hm der Ausgestaltung der Handelsspannen von Apotheken und Großhandel. Die Gutachter schlagen einem Umbau des Apotheken- und Großhandelshonorars vor: So soll die prozentuale Spanne für die Apotheken auf 5 Prozent erhöht werden. Derzeit liegt sie bei 3 Prozent. Der Fixzuschlag soll dagegen reduziert werden: von 8,35 Euro auf 5,84 Euro. Der Notdienstzuschlag soll von 16 auf 33 Cent verdoppelt werden. Die Notdienstgebühr soll unverändert bei 2,50 Euro bleiben.
Bei Rezepturen sollen Apotheken statt 90 Prozent nur noch 5 Prozent auf die Stoffe aufschlagen dürfen. Dafür soll der Arbeitspreis von derzeit mindestens 3,50 Euro deutlich auf 31 bis 61 Euro steigen. Auch der Fixzuschlag sowie der Notdienstzuschlag sollen bei Rezepturen abgerechnet werden können. Auf 14 Euro soll auch der BtM-Zuschlag steigen; nach der letzten Anhebung liegt dieser Wert derzeit bei 2,91 Euro. Für parenteralen Rezepturen schlagen die Experten ein Honorar von nur noch 22 bis 32 Euro vor. Derzeit liegt der Arbeitspreis bei mindestens 50 Euro.
Dem Großhandel gestehen die Gutachter noch 0,53 Prozent an Spanne zu. Aktuell können die Firmen 3,15 Prozent aufschlagen. Der Fixzuschlag soll laut 2hm von 70 auf 96 Cent je Packung angehoben werden.
Zwischenfazit der Gutachter lautete: „Die dargestellte Preissystematik für die AMPreisV reduziert die nicht leistungsorientierten Zuordnungen, die in der aktuellen AMPreisV bestehen: Der Versandhandel wird nicht länger für Leistungen bezahlt, die er nicht erbringt, wie den Nacht- und Notdienst oder die BtM-Abgabe. Diese Leistungen werden leistungsbezogen kostendeckend vergütet. Der Aufwand für Standardrezepturen im Vergleich zu parenteralen Lösungen relativiert sich. Die bestehende Quersubventionierung der OTC- und Freiwahl-Bereiche durch Rx wird aufgehoben. Im Kern wird damit die Leistung der klassischen Apotheke durch eine leistungsorientierte Vergütung gestärkt.“
Dadurch sollen gesetzliche und private Krankenversicherung deutliche Einsparungen erzielen: 1,24 Milliarden Euro wollen die Gutachter durch die Umstellung abschöpfen. 250 Millionen Euro sollen bei Sterilrezepturen eingespart werden, 780 Millionen Euro bei den „übrigen“ Apotheken. Der Großhandel soll mit 210 Millionen Euro weniger honoriert werden als bislang.