Nicht nur die Homöopathie an sich ist ein ständiges Diskussionsthema, sondern auch die Tatsache, dass diese alternativmedizinische Präparate in der Apotheke abgegeben werden. Wie zuverlässig klären Apotheker über homöopathische Mittel auf? Diese Frage sollte im Rahmen einer Feldstudie der Universität Erfurt beantwortet werden. Den Ergebnissen zufolge sollen im Rahmen der Beratungsgespräche nur 5 Prozent gesagt haben, dass es für die Wirkung von Homöopathie keine wissenschaftlichen Belege gebe. Die Studie veröffentlichten die Autoren in der Zeitschrift „Skeptiker“, die von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung für Parawissenschaften (GWUP) herausgebracht wird.
Wie schaut es mit der Beratung in deutschen Apotheken aus? Diese Frage stellen sich nicht nur Apothekerkammern, Gynäkologen und Medien, sondern neuerdings auch Psychologen. Letztere wollten untersuchen, ob die Apotheker beim Thema Homöopathie nach den Leitlinien der Bundesapothekenkammer (BAK) und damit nach aktuellen wissenschaftlichen Kriterien beraten. Die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Tilman Betsch von der Universität Erfurt hat deshalb im vergangenen Jahr je 25 Apotheken in den Städten Stuttgart, Erfurt, Leipzig und Frankfurt zufällig ausgesucht. Unter den 100 zur Analyse herangezogenen Apotheken befanden sich 23 Filialen.
Für die Datenerhebung besuchten die vier weiblichen Mitglieder des Autorenteams die ihnen zugeteilten Apotheken als Kundinnen und baten um ein Mittel für ihre erkälteten Familienmitglieder. Das Interview wurde verdeckt durchgeführt. Für den Verlauf des weiteren Gesprächs hatte das Team einen Leitfaden mit standardisierten Antworten auf Fragen erstellt, die nach den Vorgaben der BAK für Beratungsgespräche zu erwarten wären. Die „Kundin“ fragte zuerst, ob es sich bei vorgeschlagenen Medikamenten auch um homöopathische Präparate handelt. Wenn die Apotheker dies bejahten, fragte sie nach Unterschieden in der Wirksamkeit nach.
„Ich habe gehört, dass Homöopathie vielleicht auch eine Alternative wäre. Stimmt das?“ So sollte die Kundin fragen, wenn die Erstempfehlung des Pharmazeuten keine homöopathischen Präparate enthielt. Zum Schluss bat die Kundin um eine konkrete Empfehlung. Im Anschluss an das Beratungsgespräch sollte sie ein Gedächtnisprotokollbogen ausfüllen. Von großer Bedeutung war dabei, ob der Apotheker Unterschiede in der Wirksamkeit zwischen homöopathischen und nicht-homöopathischen Arzneimitteln thematisiert hatte und ob die Wirksamkeit mit Bezug auf den Stand der Forschung begründet wurde.
Das Ergebnis war zwiespältig: In 54 der 100 Beratungsgespräche stellten die Apotheker mindestens eine Frage aus den Beratungsleitlinien der BAK und haben in keinem Fall ausschließlich homöopathische Präparate empfohlen, sondern immer mehrere Präparate bei ihren Erstempfehlungen, darunter Halsschmerzmittel, abschwellende Nasensprays, Schmerzmitteln und Kombinationspräparate.
In 86 Fällen enthielten die Erstempfehlungen kein homöopathisches Arzneimittel. Hier fragte die Kundin, ob Homöopathie eine Alternative wäre. Bei 24 Gesprächen verneinte und bei 42 Beratungen bejahte dies der Apotheker. Bei den restlichen 20 wurde die Frage nicht eindeutig beantwortet; hier verwiesen die sie die Kunden darauf, dass häufig homöopathische Präparate in Kombination mit anderen „zur Unterstützung“ eingenommen würden.
Weiterhin fragte die Kundin in den 86 Gesprächen nach der Wirkung von Homöopathie. In lediglich 5 der 86 Fälle erklärten die Apotheker, dass die Wirkung empirisch nicht nachgewiesen sei. In 19 Fällen behaupteten die Pharmazeuten, dass die Wirkung durch klinische Studien eindeutig bewiesen sei. Bei 11 Beratungsgesprächen sagten sie, dass Wirkung durch das Erfahrungswissen nachgewiesen wäre. Abschließend fragte die Kundin nach einer endgültigen Empfehlung. Die überwiegende Mehrheit der Apotheker blieb bei ihrer Erstempfehlung. Nur fünf Personen boten zusätzlich homöopathische Arzneimittel an. Die Pharmazeuten gaben in 14 von 100 Fällen an, dass es bezüglich der Wirksamkeit zwischen homöopathischen und schulmedizinischen Mitteln keine Unterschiede gäbe.
Aber was schließen die Autoren daraus? „Zum einen zeigen unsere Ergebnisse, dass im Falle eines grippalen Infektes die überwiegende Mehrzahl von ihnen zu schulmedizinischen Präparaten rät, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Linderung der Symptome führen“, erläutert Betsch, Professor für Sozial-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie. „Was die Wirkung von Homöopathie betrifft, so zeichnet unser Untersuchungsergebnis ein eher düsteres Bild.“ Denn nur in 5 Prozent aller Beratungsgespräche sagten die Apotheker, dass wissenschaftlichen Belege fehlten.
Ihm zufolge soll die Beurteilung der Wirksamkeit von Präparaten nach pharmakologisch-toxikologischen Kriterien der Leitlinien erfolgen. Die Empfehlungen der Apotheker enthielten zwar in der Regel evidenzbasierte Therapien, allerdings würde sich ihr Wissen über die Wirkung von Homöopathie mehrheitlich nicht von Laien-Meinungen unterschieden. „Zumindest was letzteren Bereich betrifft, scheint ein (Weiter)-Bildungsbedarf bei vielen Apothekern zu bestehen“ , so Betsch.
Da die Feldstudie relativ klein angelegt war, ist eine repräsentative Aussage aus den Ergebnissen nicht abzuleiten. Dass nicht zwischen Apotheker und PTA unterschieden wurde, ist eine weitere Limitation. Außerdem sind Gedächtnisprotokolle anfällig für Bias.
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