Steuerbetrug

Staatsanwalt will Haft für Holland-Apotheker

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Berlin -

Eugene E. muss weiter bangen: Nachdem der Apotheker aus Chemnitz in erster Instanz vom Vorwurf des Steuerbetrugs freigesprochen wurde, will die Staatsanwaltschaft in Revision gehen. Erklärtes Ziel: Der Apotheker soll für drei Jahre ins Gefängnis.

Das Landgericht Chemnitz (LG) hatte E. in der vergangenen Woche freigesprochen. Der Apotheker soll aus Geschäften seiner niederländischen Versandapotheke Postpills Umsatzsteuer in Höhe von knapp zwei Millionen Euro nicht gezahlt haben. Stattdessen soll er den niedrigeren Satz in den Niederlanden abgeführt haben. Heißt: Statt 19 zahlte er nur 6 Prozent.

Die Staatsanwaltschaft wirft E. Steuerhinterziehung in acht Fällen vor. Im Prozess ging es um die Jahre 2005 bis 2007, also die ersten beiden Jahren nach Gründung der Versandapotheke. Aus Sicht der Anklage hatte E. zum Fälligkeitszeitpunkt der jeweiligen Steuererklärungen Kenntnis von der Verpflichtung zur Abgabe derselben beziehungsweise nahm er die Möglichkeit, dass eine solche Verpflichtung bestand, billigend in Kauf.

Für die steuerliche Abwicklung des Versandhandels habe er bis zu sieben Berater engagiert, hatte E. im Prozess argumentiert. Diese seien aber mit dem Arzneimittelversand auch nicht gut klar gekommen: Er sei sehr enttäuscht, dass sie nicht in der Lage gewesen seien, die Sache richtig zu erfassen.

Die im Verfahren vorgelegten früheren Gutachten renommierter internationaler Steuerkanzleien überzeugten die Richter: „Freigesprochen wurde er deshalb, weil die Kammer sich nicht davon überzeugen konnte, dass er vorsätzlich die Steuern hinterzogen hat“, sagte eine Gerichtssprecherin. „Man ging – im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft – davon aus, dass er nicht wusste, dass er die Umsatzsteuer in Deutschland zu erklären und zu begleichen hatte. Letztlich hat er, nachdem feststand, dass die Umsatzsteuer hier in Deutschland zu erklären war, dies auch getan und die Steuern nachgezahlt.“

Laut Staatsanwaltschaft waren die vorgelegten Gutachten dagegen als Beweismittel in der Gesamtschau nicht geeignet, um den Apotheker zu entlasten. Daher will die Anklage nun in Revision gehen. Gefordert wird die Verurteilung von E. wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Ähnlich gelagerte Fälle sind dem zuständigen Staatsanwalt nicht bekannt.

E. war um die Jahrtausendwende nach Sachsen gekommen: Zur Apotheke in Bad Schlema kam eine zweite Apotheke in einem Ärztehaus in Chemnitz dazu. Zur Gruppe gehören außerdem ein Großhandel, ein Sterillabor und eine Immobiliengesellschaft, der mehrere Ärztehäuser gehören. Die Firmen haben ihren Sitz ebenfalls in Chemnitz. Allein der Großhandel soll 2014 mehr als 20 Millionen Euro Umsatz gemacht haben.

Bei Postpills müssen die Kunden ihre Rezepte an ein Postfach in Chemnitz schicken. Ob dort auch das operative Geschäft abgewickelt wird, wollte die Staatsanwaltschaft mit Blick auf das Steuergeheimnis nicht verraten. Auch zu den Umsätzen mit Selbstzahlern und Krankenkassen sowie zur Herkunft der Informationen wurden auf Nachfrage keine Angaben gemacht.

Prozessbeobachter reagierten überrascht auf das Urteil. Denn die Vorschriften sind nicht neu und eindeutig: Wer Waren an deutsche Kunden versendet, muss ab einer Umsatzschwelle von 100.000 Euro an den deutschen Fiskus abführen. Spätestens seit „Vorteil24“ ist diese Regelung auch in der Apothekenbranche bekannt. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hatte 2012 die Finanzbehörden auf das Thema angesetzt. Sie sollten überprüfen, ob der Trick mit dem Mehrwertsteuergefälle rechtmäßig war.

Ob E. nun mit berufsrechtlichen Konsequenzen rechnen muss, ist noch nicht entschieden: Sobald der Hinweis vom Gericht kommt, wird der zuständige Ausschuss der Apothekerkammer prüfen, ob die Verfehlungen hinlänglich abgegolten sind oder ob eine sogenannter „berufsrechtlicher Überhang“ besteht. Dazu sei man gesetzlich verpflichtet, so Geschäftsführer Dr. Frank Bendas. Die Entscheidung trifft dann der Vorstand. In Chemnitz hatten sich schon Apotheker nach den Standorten erkundigt.

Hinterziehen Apotheker und Ärzte Steuern, begeben sie sich gleich doppelt in Gefahr. Ihnen drohen nicht nur Ärger mit dem Finanzamt bis hin zu strafrechtlicher Verfolgung, sondern im Fall einer Verurteilung auch ein Berufsverbot. Jeder Einzelfall ist gesondert zu prüfen, doch ab 100.000 Euro könnten nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg (VG) aus dem vergangenen Jahr die Schmerzgrenze erreicht und die Voraussetzung für einen Approbationsentzug erfüllt sein. Zuletzt hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) den Approbationsentzug gegen einen Zahnarzt bestätigt, der rund 60.000 Euro hinterzogen, sich aber uneinsichtig gezeigt hatte.

Postpills hatte vor fünf Jahren überregional für Schlagzeilen gesorgt: Kunden erhielten bei der vermeintlich niederländischen Versandapotheke Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel, wenn sie einen Fragebogen zu ihrem Wohlbefinden ausfüllten. Wer viele hochpreisige Rx-Artikel bestellte, konnte so bis zu 25 Euro Rabatt erhalten.

Die Apothekerkammer Sachsen gab die Angelegenheit zur Prüfung an die ABDA. Doch letztlich war es die Apothekerkammer Nordrhein, die den Verband Sozialer Wettbewerb einschaltete. 2014 verbot das LG Berlin das Modell. Den Vordruck für die „Anwendungsbeobachtung“ gibt es immer noch, Rabatte werden derzeit jedenfalls nicht angepriesen.

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