HIV-Retax: Kundin wechselt Kasse, Apotheker muss zahlen Katharina Brand, 29.05.2024 09:58 Uhr
Nach Monaten erhält ein Apothekeninhaber überraschend ein HIV-Rezept vom Rechenzentrum zurück. Die Begründung: Der Kostenträger sei nicht zuständig. Weitere Monate später erhält er eine Retaxation über die Verordnung – und ärgert sich: „Wir stellen lebenserhaltende Therapie sicher und werden retaxiert.“
Der Inhaber versorgt mit seiner Apotheke schwerpunktmäßig Kunden mit HIV-Präparaten. Am 27. Oktober 2022 erhielt er eine entsprechende Verordnung über zwei Arzneimittel – Kostenpunkt: 2331,41 Euro. Die Kundin hatte außerdem einen Behandlungsschein des Sozialamtes der Stadt Kempen dabei, datiert auf den Gültigkeitszeitraum 12. Oktober 2022 bis 31. Oktober 2022. Da formell auf der Verordnung alles passte, belieferte der Apotheker die dringend benötigten Medikamente umgehend – und wurde Monate später von einer Retax überrascht.
Böses Erwachen
Im Juni 2023 kam das Rezept überraschend vom Rechenzentrum zurück. Die Begründung: Der Kostenträger sei nicht zuständig. Da das Versicherungsverhältnis der Kundin für den Inhaber bei der Belieferung eindeutig gewesen war, wendete er sich verwundert an das zuständige Sozialamt. „Das Rezept müssen Sie bei der neuen Kasse der Versicherten einreichen. Wenn die nicht zahlen, übernehmen wir das“, hieß es von der Mitarbeitenden.
Zudem erfuhr der Apotheker im Gespräch, dass seine Kundin seit dem 1. August 2022 über die AOK versichert war. Darüber hatte sie allerdings weder ihren Arzt noch das Sozialamt oder die Apotheke informiert.
Nach dem aufklärenden Gespräch gab der Inhaber die Verordnung wie empfohlen erneut in die Abrechnung. Wieder vergingen einige Monate, bis das Schreiben der AOK vor wenigen Tagen eintrudelte. In den Händen hielt der Inhaber eine Retaxation in Höhe von 917,59 Euro, „weil das Rezept zu spät eingereicht wurde.“
Zusätzliche Verunsicherung
Eine Retax dieser Art hat der Inhaber zuvor noch nicht erhalten. Heute fragt er sich, ob er im Juni des vergangenen Jahres auf eine Kostenübernahme des Sozialamtes der Stadt hätte bestehen müssen.
Gerade vor dem aktuellen Hintergrund des Skonto-Urteils, der bevorstehenden Reform und den vielen weiteren Einschränkungen, mit denen Vor-Ort-Apotheken sich konfrontiert sehen, ist die Retax eine weitere Verunsicherung für den Apothekeninhaber: „Wir sind eine HIV-Apotheke. Die Medikamente sind lebenswichtig und immer dringend. Wie soll ich denn zukünftig mit diesen Verordnungen umgehen? Soll ich jetzt jedes Mal beim Amt nachfragen – bei dem zeitnah ohnehin niemand zu erreichen ist – ob die Person noch tatsächlich über sie versichert ist?“