Höhere Zuzahlung

Hilfstaxe gekündigt: Preise jetzt fünfmal so hoch

, Uhr
Berlin -

Weil mit dem Jahreswechsel die Hilfstaxe ihre Gültigkeit verloren hat, müssen Apotheken ihre Rezepturen nun neu kalkulieren. Denn: Ab sofort gilt für Rezeptursubstanzen der tatsächliche Einkaufspreis der Apotheke (realer Einkaufspreis abzüglich Großhandelsrabatt). Was das bedeutet? Eine häufig angefertigte Nasensalbe steigt beispielsweise im Preis um satte 115 Euro, wie eine Apothekerin aus Gütersloh berichtet.

Mit der Abrechnung von Anbrüchen bei Rezepturanfertigungen ist nun Schluss. Denn: Auch bei benötigten Mengen, die den Packungsinhalt des Fertigarzneimittels unterschreiten, muss die gesamte Packung abgerechnet werden, denn ab sofort ist der „Listen-EK“ Ausgangswert der Berechnung. Für diese Abrechnung gelten §§ 4 und 5 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Aber: Apotheken dürfen trotz Retax-Risiko die Anfertigung von Rezepturen nicht verweigern oder als Selbstzahlerleistung anbieten.

Die neue Berechnung steigert die Preise für Rezepturen enorm: „Für eine Nasensalbe, die sonst um die 25 Euro gekostet hat, muss ich jetzt plötzlich knapp 140 Euro abrechnen“, so Claudia Scherrer, Inhaberin der Nord-Apotheke in Gütersloh. „Es ist eine Rezeptur, die häufig verordnet wird, da wir HNO-Ärtze in direkter Nähe zur Apotheke haben“, so die Apothekerin.

Kunden zahlen das Doppelte

Dies kann auch zu unangenehmen Diskussionen mit der Kundschaft führen: „Sind die Patienten nicht befreit, müssen sie nun mitunter das Doppelte zahlen“, so die Apothekerin. So musste erst kürzlich ein Kunde, der sonst 5 Euro Zuzahlung für seine verschriebene Rezeptur gezahlt hatte, 10 Euro berappen.

„Der Preis für die Anfertigung stieg auf über 100 Euro. Natürlich sind die Patienten davon nicht begeistert, die Erklärung dazu bleibt an uns hängen“, so die Inhaberin. „Ich muss dem Patienten plausibel machen, dass die Krankenkassen keine Einigung gefunden haben, und er deshalb mehr bezahlen muss“, ärgert sich Scherrer.

Scherrer ist sich außerdem sicher, dass die Retaxationen kommen werden: „Im Prinzip wurde es ja schon angedroht. Wir werden in diesen Fällen unsere Einkaufsbelege mitschicken und die hohen Preise für die Rezepturen so rechtfertigen.“ Mehr noch: „Da Anbrüche nicht mehr abgerechnet werden dürfen, müssten diese nach jeder Anfertigung weggeschmissen werden.“

Kortison meist in Kleinstmengen

Auch Sylke Zabel, Inhaberin der Spree Apotheke aus Lübbenau, gibt zu bedenken: „Die Preise der Rezepturanfertigungen steigen um bis zu zwei Drittel. Es kommt auf die am Markt befindlichen Packungsgrößen an“, so die Apothekerin. Das mache sich beispielsweise besonders bei Kortikoiden bemerkbar: „Die kleinste verfügbare Packung einiger Kortisone enthält 1 g. Für eine kleine Menge Salbe benötige ich aber nur 0,05 g und muss dann trotzdem die ganze Packung berechnen“, so Zabel. Im Hinblick auf drohende Retaxationen ist sie der Meinung: „Die Kassen werden schon einen Weg finden, um uns zu retaxieren, wer weiß, was da noch auf uns zu kommt.“

„Andere Sachen sind wichtiger“

Auch für einen Inhaber aus Thüringen stellt die Neuberechnung bei jeder Rezeptur ein Problem dar: „In dem ganzen Umstellchaos von Papier- auf E-Rezept müssen wir uns auch noch mit solchen Sachen rumschlagen, dabei gibt es momentan andere Sachen, die viel wichtiger sind“, ärgert sich der Apotheker. Zwar sei die Hilfstaxe aus seiner Sicht „zurecht gekündigt“ worden, aber zum falschen Zeitpunkt: „Es schluckt auf allen Seiten zu viele Ressourcen, und vor allem fehlt die schnelle Information diesbezüglich“, betont er. Denn: „Zurzeit rufen etliche Apotheken beispielsweise beim Verband an, um sich zu erkundigen, wie Rezepturen richtig berechnet werden sollen. Keiner kann einem zeitnah Auskunft geben.“

Der Verband hatte sich dem Inhaber gegenüber wohl nur vage geäußert: „Man sagte mir, dass ich theoretisch jede angebrochene Packung, die ich für die Rezeptur benötige, auch komplett berechnen könne.“ Sinnvoller sei es jedoch beispielsweise, die 1 kg Salbengrundlage, die immer wieder für diverse Rezepturen benötigt werde, auch nur anteilig zu berechnen: „Was denn nun? Im Grunde weiß es keiner so genau. Das kostet Zeit, Kraft und vor allem Nerven“, so der Apotheker. „Ich kann natürlich sagen, ich berechne knallhart jede Packung, aber damit steigt natürlich auch mein Retax-Risiko.“

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Mehr aus Ressort
Neue Nische für Zwischenhändler
Skonto über Großhandelsapotheken?
„Die Kosten steigen zurzeit ins Unermessliche“
Weihnachtsgeld: So kürzen die Inhaber

APOTHEKE ADHOC Debatte