Benedikt Salzer bleibt umtriebig. Seine Liaison mit Easy-Gründer Oliver Blume brachte nicht den erhofften Erfolg, doch der Inhaber der Salzer-Apotheke in Hildesheim hat parallel ein anderes Projekt vorangetrieben, das sich nun auszahlt: Als Planer und Organisator erweitert er das Ärztehaus, in dem seine Apotheke liegt. Fünf neue Praxen hat er bald neben der Offizin, zusätzlich richtet er als Bauherr ein Parkhaus nebenan ein. Um dem erwarteten neuen Kundenaufkommen gerecht zu werden, muss er aber auch an den eigenen Betrieb kräftig Hand anlegen.
„Wenn man es betriebswirtschaftlich betrachtet, ist eine Apotheke preislich und marketingtechnisch schon sehr eingeschränkt“, sagt Salzer und erklärt gleich, welche Schlussfolgerung er daraus zieht: „Also bleibt nicht viel mehr, als den Standort aufzuwerten.“ Statt darauf zu hoffen und freundlich immer wieder zu werben, hat der Apothekeninhaber und studierte Gesundheitsökonom sein Glück gleich selbst in die Hand genommen: Seine Salzer-Apotheke befindet sich bereits in einem Ärztehaus mit zwölf Praxen, doch Salzer und sein Vater wussten schon vor Jahren, dass da noch mehr Potenzial ist – nebenan nämlich. „Ich bin vor drei Jahren auf die Besitzer des Nachbargrundstücks zugegangen. Sie wollten es aber nicht verkaufen, sondern nur investieren, also haben wir gesagt, dass wir die Projektplanung übernehmen.“
Gemeinsam mit zwei Investoren aus Hannover und dem Hildesheimer Architekten Benedikt Lüder begann Salzer deshalb, sich einen Standort für fünf weitere Praxen vor die Tür zu holen. Ergebnis ist ein 1200 Quadratmeter großes Ärztehaus, das an den bisherigen Gebäudekomplex angebaut wurde. Während das entstand, musste er bei den Ärzten in der Gegend Klinken putzen, um genug für einen Umzug zu gewinnen, damit der Neubau voll wird. „Ich habe dann die Mieter vermittelt“, sagt er. Wie viele er ansprechen musste, bis er fünf Zusagen hatte, will er nicht verraten. „Es sind nicht alle gekommen, von denen wir dachten, dass sie kommen. Dafür kamen welche, die wir nicht erwartet hatten.“
Dabei habe er eine Menge Koordinationsarbeit leisten müssen. „Ein kompletter Selbstläufer war es nicht, man muss schon Zeit investieren. Jede Praxis hat individuelle Bedürfnisse, die berücksichtigt werden müssen. Einfacher Bürostandard reicht da nicht.“ Außerdem habe er nicht wenig Überzeugungsarbeit leisten müssen, schließlich ist ein Umzug auch ein erhebliches Investitionsrisiko für Ärzte und Kliniken. „Ärzte sind ja in der Regel keine BWLer, die können manchmal nicht ganz einschätzen, ob sich so ein Umzug lohnt.“
Aus diesem Grunde wurde erst nur die Außenhülle des Gebäudes fertiggestellt und die Innenräumlichkeiten dann entsprechend der jeweiligen Praxisbedürfnisse angepasst. Letztendlich fanden sich fünf Mieter für das fünfstöckige Gebäude: eine Hausarztpraxis, eine Kardiologie und Pulmologie, eine Orthopädie und Unfallchirurgie, ein Kinderarzt sowie ein ambulanter Pflegedienst. Am 1. Januar soll die feierliche Eröffnung sein. Der 33-Jährige, der auch eine Zytostatika-Herstellung betreibt, betont aber gleich ausdrücklich, dass er lediglich für die Projektplanung zuständig ist: „Dadurch, dass wir nicht als Vermieter auftreten und es keinerlei vertragliche Beziehungen zwischen der Apotheke und den Praxen gibt, ist das rechtlich einwandfrei.“
Die Beteiligung am Projekt Apoland von Easy-Gründer Oliver Blume habe mit dem Ärztehaus-Engagement nichts zu tun, betont Salzer. „Das war nur ein erstes Selbstständigkeitsprojekt, das wir Ende 2019 abgewickelt haben“, sagt er. „Die Salzer-Apotheker gab es schon vorher, ich bin 2018 bei meinem Vater Bernhard eingestiegen. Auf dieses Projekt haben wir uns dann nach der Apoland-Schließung voll konzentriert.“ Denn es gab und gibt genug zu tun: Nicht nur das neue Ärztehaus entsteht nämlich unter der Ägide der Salzers, Senior und Junior liefern die Parkplätze gleich mit. Gegenüber des neuen Ärztehauses lassen sie auf dem Gelände eines ehemaligen Kinos ein neues Parkhaus mit 274 Stellplätzen auf fünf Ebenen entstehen. „Wir treten da nur als Bauherr auf und verpachten das dann an eine Betreibergesellschaft, die sich mit Parkhäusern auskennt“, sagt Salzer. „Wir müssen uns dann nur noch darum kümmern, dass das Parkhaus in das Leitsystem der Stadt eingetragen wird.“ Mitte nächsten Jahres soll die Eröffnung sein.
Und als wären neues Ärzte- und neues Parkhaus noch nicht genug, wollen die Salzers dem erwarteten höheren Kundenaufkommen proaktiv Rechnung tragen: Seit vergangener Woche wird die gesamte Apotheke im laufenden Betrieb um- und ausgebaut. Eine blaue Staubschutzplane trennt derzeit den Verkaufsraum: „Wir haben jetzt quasi eine Kiosk-Lösung“, erklärt Salzer. Drei HV-Tische wurden nach vorn verlegt, statt Vorder- und Hinter- gibt es jetzt nur noch den Vordereingang, 60 der 200 Quadratmeter des Verkaufsraums sind noch für den Kundenverkehr offen. Bis voraussichtlich Mitte September wird der hintere Teil umgebaut, danach noch einmal zwei bis drei Wochen der vordere. Dann wird nur noch der Ausgang zur Verfügung stehen.
Gemacht wird eigentlich fast alles: „Die Apotheke wird einmal komplett entkernt“, sagt Salzer. Neben neuen Böden und Decken erhält die Apotheke einen sechsten HV-Tisch, eine digitale Frei- und Sichtwahl, ein Abholfach mit 24-Stunden-Abholservice und einen neuen Kommissionierer – um nicht zu sagen: ein komplett neues Arrangement. Bislang war der Automat nämlich in der ersten Etage über der Apotheke angebracht. Das neue Modell soll im Erdgeschoss stehen und auch dadurch deutlich schneller arbeiten. Mit 120.000 Euro macht die Anlage mehr als ein Viertel der 450.000 Euro Umbaukosten aus. Ist die Apotheke fertig, werde sie „ein völlig neues Ambiente bieten“, zeigt sich Salzer voller Vorfreude.
Dass Salzer sich auf das große Ganze konzentriert, zeigt sich aber nicht nur in seinen Bauaktivitäten, sondern auch in der inhaltlichen Ausrichtung des Betriebs. „Der Mass Market kann mit großen Skaleneffekten abgebildet werden, dazu braucht man künftig keine Apotheke vor Ort mehr“, sagt er mit Blick auf die Online-Konkurrenz. Seine Lösung: „Wir müssen unsere Stärken stärken!“ Die Salzers setzen deshalb auf Spezialisierung, konkret neben dem Zyto-Labor auf Rheuma und Hämophilie. „Wir versuchen, Nischenthemen zu besetzen“, sagt Salzer. Denn bei diesen spezifischen und beratungsintensiven Indikationen könnten Vor-Ort-Apotheken ihre Stärken auch gegenüber der Konzernkonkurrenz voll ausspielen.
All das benötigt aber nicht nur Geld, Raum und Konzept, sondern auch Menschen, die die Arbeit erledigen. Die Salzer-Apotheke hat deshalb aufgestockt: Ein Apotheker und zwei PTA verstärken künftig das bereits 30 Köpfe starke Team, acht Approbierte hat es bereits. Und das ist auch gut, Salzer hat mit all diesen Projekten schließlich derzeit genug um die Ohren. „Nebenbei ist das nicht so einfach zu erledigen“, sagt er. „Es ist aber nicht so, dass die Apothekenarbeit jetzt zu kurz kommen würde! Wenn es operative Fragen gibt, bin ich auch oft in der Apotheke. Ich bin eben arbeitsfähig.“
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