Weil die Krankenkassen mit Herstellern um den Generikaabschlag streiten, drohen den Apotheken Ausfälle in Millionenhöhe. Die Kassen wollen nicht auf ein Korrekturverfahren im Konsens warten, sondern den Apotheken schlicht die Rechnungen kürzen. Jetzt kommt es auf die Hersteller an. Wenn die Kassen überhaupt dem Vorschlag ihres Verbandes folgen und die Rückabwicklung auf diese Weise vornehmen.
Streitigkeiten über die Abschlagspflicht gab es auch in der Vergangenheit. Doch bislang haben sich die Kassen meist mit den Herstellern geeinigt - notfalls vor Gericht. In vielen Fällen mussten die Hersteller nachzahlen. Die Rechenzentren konnten eine Abschlagskorrektur vornehmen und das Geld der Hersteller an die Kassen weiterleiten.
Dass die Kassen jetzt laut GKV-Spitzenverband bei 660 PZN ihre Forderungen einfach verrechnen sollen, hat den Rechenzentren zufolge eine neue Qualität: „Rein formal können wir eine gekürzte Rechnung nicht puffern. Auch praktisch nicht, denn diese Summen würden die Grenzen eines Rechenzentrums sprengen“, sagte der Sprecher eines Unternehmens gegenüber APOTHEKE ADHOC. „Also schlägt die Forderung voll auf die Apotheke durch.“
Doch dazu muss es aus Sicht der Industrie nicht kommen. Eindeutige Empfehlungen der Pharmaverbände gibt es zwar nicht; schon aus kartellrechtlichen Gründen. Doch Dr. Hermann Kortland, Geschäftsführer für den Bereich Wirtschaft beim Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH), rechnet nicht damit, dass die Apotheker auf den Forderungen sitzen bleiben: „Es liegt zwar im Ermessen des Unternehmens, aber die Erfahrung zeigt, dass die Hersteller zahlen. Dieser Streit mit den Krankenkassen sollte tunlichst nicht auf dem Rücken der Apotheker ausgetragen werden“, so Kortland gegenüber APOTHEKE ADHOC.
Etwas unzufrieden war man beim BAH mit den starken Worten des GKV-Spitzenverbands, aber auch des Deutschen Apothekerverbands (DAV) zur angeblich schlechten Zahlungsmoral der Hersteller. „Man kann den Herstellern keine Verweigerung vorwerfen. Sie streiten mit Fug und Recht für ihre Auffassung“, sagte Kortland. Es handele sich bei der Frage um die Abschlagspflicht um komplexe juristische Zusammenhänge. „Da kann man nicht einfach sagen: Der Spitzenverband hat immer recht.“
Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) sieht das genauso: „Statt die Pharmaindustrie jetzt in die Täterrolle zu drängen, sollte man sich fragen, wie die Regelungen vereinfacht werden können“, so ein BPI-Sprecher gegenüber APOTHEKE ADHOC. Der Verband fordert vom Gesetzgeber eine Klarstellung.
Immerhin hätten GKV-Spitzenverband und die Hersteller einen Leitfaden zur Codierung entwickelt. „Dennoch ist nicht jeder Einzelfall abgedeckt“, so der BPI-Sprecher. So sei zum Beispiel nicht klar, ob 16 Prozent Rabatt schon fällig werden, wenn ein Präparat lediglich generikafähig ist oder erst wenn es tatsächlich Konkurrenz auf dem Markt gibt. Zudem gebe es Fälle - wie zum Beispiel Plavix - in denen noch Patentstreitigkeiten laufen.
Jeder Hersteller müsse nun für sich entscheiden, ob er zahlt. „Natürlich besteht kein Interesse, die Apotheken als Kunden zu verärgern. Andererseits ist zu überlegen, ob man bei unberechtigten Forderungen der Kassen in Vorleistung gehen will“, so der BPI-Sprecher.
Der Pharmakonzern Pfizer beispielsweise will bei seinem Analgetikum Valoron (Tilidin) die Apotheken aus der Schusslinie nehmen: „Pfizer wird den Krankenkassen im Zweifel unter Vorbehalt einen Abschlag gewähren. Wir behalten uns dann eine rechtliche Klärung vor, ob dieser Abschlag rechtmäßig ist“, sagte ein Sprecher von Pfizer Deutschland. Der Generikaabschlag für Valoron sei unrechtmäßig, da für die Substanz noch ein Wirkstoffpatent bestehe, so der Sprecher.
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