Eine Apothekerin aus Niedersachsen wird von einem Großversorger aus ihrem Heimbelieferungsvertrag gedrängt. Sie klagt gegen die Kammer, die den Vertrag genehmigt hatte – ohne Erfolg. Ironie der Geschichte: Sowohl die Konkurrenzapotheke als auch der Heimträger mussten unabhängig voneinander kurze Zeit später Insolvenz anmelden.
Seit 20 Jahren wurde das Seniorenzentrum Sonnenhof in Lehrte von einer Apotheke aus dem Ort beliefert; die letzte Verlängerung wurde 2018 von der Apothekerkammer Niedersachsen (AKNS) bestätigt. Doch im September 2022 schloss der Träger einen neuen Vertrag, diesmal mit der Arkaden-Apotheke in Braunschweig.
Die Kammer bestätigte die neue Vereinbarung, die damit zum 1. Januar 2023 in Kraft treten sollte. Das Problem: Die Kündigung gegenüber der bisherigen Apotheke war auf den 28. Oktober 2021 datiert, doch die Inhaberin hatte nie ein solches Schreiben erhalten. Das teilte sie der Kammer auch mit, die daraufhin erneut Kontakt mit der Betreibergesellschaft mit Sitz in Berlin aufnahm. Die teilte daraufhin mit, dass eine weitere Kündigung zum 31. Dezember 2022 ausgesprochen worden sei.
Die Anwälte der Apothekerin forderten die Kammer auf, die Genehmigung des Heimversorgungsvertrags mit der Arkaden-Apotheke zurückzunehmen. Die Geschäftsstelle vertrat aber die Auffassung, dass sie nicht zu prüfen habe, ob eine Kündigung zugegangen und damit wirksam sei. Voraussetzung für die Genehmigung nach § 12a Apothekengesetz (ApoG) sei lediglich die Vorlage eines Kündigungsschreibens, und dies sei erfolgt.
Der Fall ging vor Gericht. Ihr sei nie eine Kündigung zugegangen, der Heimversorgungsvertrag sei daher nie aufgelöst worden, argumentierte die Inhaberin. Die Kammer hätte den Zugang des Kündigungsschreibens prüfen müssen und den Heimversorgungsvertrag mit der Arkaden-Apotheke nicht genehmigen dürfen. Dies gelte umso mehr, als der Vertrag keine klare Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche enthalten habe. Dies sei nach 12a ApoG bei Einbindung mehrerer Apotheken zwingend erforderlich, damit ein Heimversorgungsvertrag genehmigt werden könne.
Das Verwaltungsgericht Hannover (VG) wies die Klage ab: Die Apotheke sei nicht klagebefugt, da sie nicht selbst Adressat des angegriffenen Bescheids sei. In solchen Konstellationen komme eine Klage nur in Betracht, sofern eine Vorschrift verletzt werde, die auch dazu diene, Dritte in ihren Rechten zu schützen.
Das sei hier nicht der Fall, oder wie das Gericht formuliert: „Dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, dass diese konkurrierenden Zugangsinteressen von Mitbewerbern in ihr Entscheidungsprogramm aufnimmt, sie gewichtet und einer horizontalen Ausgleichsordnung zuführt.“
Der Heimversorgungsvertrag sei zivilrechtlicher Natur und diene dazu, die Interessen beider Vertragsparteien zu wahren. „Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass mit der Norm der Zweck verbunden ist, öffentlich-rechtlichen Drittschutz zu entfalten.“
Das Kammer habe im Rahmen des Genehmigungsverfahren zu prüfen, ob der Vertrag der Versorgung dient und die geltenden Bestimmungen beachtet werden – aber nicht die Interessen der Wettbewerber zu schützen. Ein solches Ziel lasse sich dem gesamten Gesetzgebungsverfahren nicht entnehmen, Ziele seien vielmehr die Erhöhung der Arzneimittelsicherheit sowie der Schutz der Heimbewohner und der Beschäftigten des Heimes. „Ziel des § 12a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ApoG ist die Versorgungssicherheit der Heimbewohner, nicht aber der Schutz konkurrierender Wettbewerber.“
Ein Eingriff in die Berufsfreiheit sei nur dann anzunehmen, wenn Wettbewerb im Zusammenhang mit staatlicher Planung oder der Verteilung staatlicher Mittel stehe. Eine Bedarfsplanung wie bei Praxen und Kliniken gebe es aber bei Apotheken nicht. „Im Apothekenmarkt realisiert sich daher mit der Zulassung eines weiteren Konkurrenten lediglich das allgemeine marktimmanente Wettbewerbsrisiko.“
Die Entscheidung für eine bestimmte Apotheke liege alleine beim Heimträger; die Kammer habe darauf keinen Einfluss. „Der mit der Kündigung des eigenen Heimversorgungsvertrags einhergehende wirtschaftliche Nachteil der folgenden Jahre liegt somit in dem marktimmanenten Wettbewerb der Apotheken um Heimversorgungsverträge begründet und gerade nicht in der Genehmigung eines (weiteren) Heimversorgungsvertrags.“
Der Heimversorgungsvertrag wurde im Laufe des Prozesses übrigens noch einmal gekündigt, diesmal zum 31. Dezember 2023 und per Einschreiben. Absender war diesmal aber schon der Insolvenzverwalter, denn die Betreibergesellschaft des Heims musste im April 2023 Insolvenz anmelden. Im Herbst desselben Jahres folgte auch die Arkaden-Apotheke, die im Rahmen des Sanierungsverfahrens vor einem Jahr zwei von vier Standorten dicht machen musste.
Die Inhaberin aus Lehrte hatte ihren Schaden im Verfahren auf rund 50.000 Euro bemessen und mit dem Insolvenzverwalter des Seniorenzentrums vor einem Jahr vor dem Landgericht einen Vergleich geschlossen, wonach sie diesen Betrag zuzüglich Prozesskosten zur Insolvenztabelle anmelden und vom Insolvenzverwalter feststellen lassen konnte. Um die Versorgung der Patientinnen und Patienten im Heim ging es in dem ganzen juristischen Chaos nicht.