„Hier sind auch Menschen ohne Maske willkommen!“

Heilbronn: Apotheke wirbt für „Querdenker“

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Berlin -

Apotheker und Ärzte gehören eher nicht zur Kerngruppe der sogenannten „Querdenken-Bewegung“, auch wenn einzelne Fälle gelegentlich bekannt werden. In Heilbronn stand ein Apotheker nun wegen seiner nach außen getragenen Ansichten öffentlich im Kreuzfeuer. Er musste zurückrudern, verteidigt aber auf Anfrage seine Ansichten – die allerdings nicht so obskur sind, wie das Klischee vom „Querdenker“ sofort vermuten lässt.

In der Sicherer’schen Apotheke in Heilbronn zeigt man sich offen für Menschen, die nicht viel auf die Pandemiebekämpfung der Bundesregierung geben. „Hier sind auch Menschen ohne Maske willkommen!“, hieß es bis vor kurzem auf einem Plakat neben dem Eingang. Wer die Apotheke betrat, konnte am Kittel einer PTA auch schon mal einen „Querdenken“-Anstecker ausmachen. Und wer sich eine Apothekenzeitschrift mitnahm, erhielt anbei einen Info-Flyer, auf dem die Apotheke dem Kunden alternative Fakten zur Covid-19-Pandemie erklärte. Offensichtlich stieß sich der eine oder andere Kunde daran, jedenfalls landete der Fall der in der Regionalzeitung Rhein-Neckar-Stimme. Ab da bekam Inhaber Bernd Kleinhans nach eigenen Angaben einiges an Gegenwind – und entschied sich, dass Poster, Button und Flyer aus seiner Offizin verschwinden. Besonderen Druck oder gar Drohungen habe er aber nicht erhalten, es habe sich um eine rein rationale Entscheidung gehandelt.

Dennoch sieht er den Widerspruch und seinen Rückzug sogar eher als Bestätigung seiner Auffassungen: „Meinungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut. Seit Beginn der Pandemie scheint es mir, dass man eher ausgegrenzt wird, wenn man nicht der Mainstream-Meinung folgt, die von Politik und Medien vorgegeben werden“, so Kleinhans. Entsprechend dementiert er die Berichte auch gar nicht. Den Anstecker beispielsweise habe seine PTA von einer „Querdenken“-Demonstration mitgebracht. Das Poster wiederum sei eher an Patienten gerichtet gewesen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können und von anderen Apotheken abgewiesen werden. „Wer ein ärztliches Attest vorweisen kann, das ihn oder sie von der Maskenpflicht entbindet, darf unsere Apotheke betreten. Dies bringt das Poster plakativ zum Ausdruck.“

Auch dass er Flyer an seine Kunden verteilt hat, bestreitet er nicht. Damit habe er seiner Aufklärungspflicht als Apotheker nachkommen wollen. „Zu Beginn der Pandemie sind einige Kunden mit Fragen auf mich zugekommen und baten um weitere Aufklärung. Aus diesem Grund haben mein Team und ich uns dazu entschlossen, an unsere Kunden Handzettel zu verteilen mit alternativen Informationen und Statistiken“, sagt er. Worum genau es sich dabei gehandelt habe, mag er nicht so recht erklären. Im Netz kursiere ja relativ viel, sagt er. Unter anderem sei es um einen Aufruf spanischer Ärzte gegangen, die sich kritisch über die Pandemieschutzmaßnahmen geäußert haben.

Die Pandemie als Verschwörung abtun oder gar die Existenz des Virus leugnen, wie es nicht wenige im „Querdenken“-Spektrum tun, will Kleinhans hingegen nicht. „Natürlich ist Covid-19 eine ernstzunehmende Krankheit, die tödliche Folgen haben kann“, räumt er ein. Allerdings gingen die aktuellen Debatten über Lockdowns und Schutzmaßnahmen am eigentlichen Problem vorbei. „Was ich aber im Diskurs vermisse: Wie kann man das Immunsystem stärken, damit man virale Infektionen vermeiden kann? Deswegen raten wir unseren Kunden zu Präparaten, die sie dabei unterstützen, wie Zink, Selen, Vitamin C und D, Omega-3-Fettsäuren und allgemein eine gute Darmflora. Es ist bereits bekannt, dass einige Corona-Tote vorerkrankt waren. Ein gutes Immunsystem ist daher essentiell.“

Dennoch: auch der schwäbische Apothekenbesitzer sät Zweifel an den offiziellen Zahlen zu Ausbreitung und Folgen des Virus. „Man kann Statistiken unterschiedlich betrachten: Es gibt beispielsweise Statistiken, die aussagen, dass man derzeit nur eine minimale Übersterblichkeit hat“, sagt er beispielsweise. Das Statistische Bundesamt sieht das bekanntlich anders: Einer Anfang Januar veröffentlichten Sonderauswertung zufolge lag die Übersterblichkeit beispielswiese in der 50. Kalenderwoche – also zwischen dem 7. und dem 13. Dezember, als die Pandemie besonders stark wütete – etwa 23 Prozent oder knapp 4300 Fälle über dem Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019. Besonders hoch war die Übersterblichkeit demnach in den am schwersten von der Seuche heimgesuchten Gebieten: So lag sie in dem Zeitraum Sachsen 88 Prozent über dem Vorjahresdurchschnitt, aber auch Brandenburg und Thüringen waren mit 34 und 35 Prozent besonders hart betroffen.

Doch diesen Zahlen will Kleinhans auch aus anderen Gründen nicht vertrauen. „Mir scheinen die Zahlen zur Pandemie nicht verlässlich, da die Todeszahlen sich auf Tote beziehen, die an und auch mit Covid-19 starben: Wenn jemand einen Herzinfarkt kriegt und dabei Corona hat, dann wird sie als an Corona verstorbene Person gezählt“, sagt er. Dass es sich dabei ebenfalls um ein Missverständnis handelt, wurde allerdings auch schon von Ärzten und Gesundheitsbehörden erklärt: Die Kategorisierung der Todesopfer wird von den Gesundheitsämtern vorgenommen, weder vom RKI noch von den behandelnden Ärzten. Die Covid-19-Erkrankung einer Person wird demnach auch gar nicht in dem von den Ärzten an das Gesundheitsamt übermittelten Totenschein als Todesursache genannt, sondern lediglich genannt. Ob jemand an oder mit Covid-19 gestorben ist, entscheiden die Gesundheitsämter – und zählen nach eigenen Angaben Fälle wie den von Kleinhans beschriebenen dabei auch gar nicht mit in die Statistik. „Ich finde es auch fragwürdig, dass das Robert-Koch-Institut zu Beginn der Pandemie sagt, dass die Toten nicht obduziert werden sollen. Wie kann man so wissenschaftliche Erkenntnisse erlangen?“, fragt der. Und darüber lässt sich tatsächlich streiten: Seit Beginn der Pandemie gibt es auch Experten, die ebenfalls kritisieren, dass nicht früher mehr obduziert wurde, um bessere Erkenntnisse über die Wirkung von Sars-CoV-2 zu erlangen.

 

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