Mit der Einführung des E-Rezepts und digitaler Kommunikation in der Arztpraxis und Apotheke wird immer öfter die Zuweisung hinterfragt. Auch Professor Dr. Wolfgang von Meißner hält eine Liberalisierung für sinnvoll – auf digitalem Weg sollte es möglich sein, dass Patientinnen und Patienten in der Praxis eine selbstgewählte Apotheke festlegen könnten. „Ich will keine Kooperation mit Apotheken, die Patienten sind mündig und sollen entscheiden“, sagt er.
Seit elf Jahren ist von Meißner in einer Hausarztpraxis in Baiersbronn tätig und mitbeteiligt. Nebenher ist er als Gesellschafter für verschiedene Projekte tätig wie „Gesund vor Ort“, einer Firma, die Praxen, medizinische Versorgungszentren und weitere Akteure im Gesundheitsmarkt im Bereich digitale Patientenbetreuung berät. Die Vor-Ort-Apotheke sei bei der Versorgung ein essenzieller Baustein. „Dort, wo ein medizinisches Zentrum ist, muss auch eine Apotheke sein“, sagt er.
Die Zusammenarbeit mit den Apotheken in seinem Umfeld laufe sehr gut. „Ich möchte meine Vor-Ort-Apotheken nicht missen“, betont er. Die Kommunikation funktioniere und die Betriebe seien gerade in den Zeiten, in denen die Praxis geschlossen habe, ein wichtiger Anlaufpunkt für Patientinnen und Patienten. „Die haben Mittwoch- und Freitagnachmittag sowie Samstag geöffnet und fangen durchaus Infekte ab oder schicken uns am Folgetag jemanden in die Praxis. Manchmal ruft man mich auch an. Da funktioniert das, was man sich von einem Gesundheitskiosk wünscht.“
Der Mediziner sieht Apotheken künftig stärker in der Rolle, die „Gesundheitskompetenz der Kundinnen und Kunden zu stärken“. Sie könnten sogenannte „anlasslose Check-ups“ wie Blutdruckmessung oder die Bestimmung des Cholesterinprofils durchführen und gegebenenfalls an die Praxis verweisen. „Solche Check-ups sind für mich in der Praxis eine Belastung.“ Es brauche keine „Community Nurse“, das könnten die Angestellten in der Apotheke besser. Dort gebe es entsprechende Räume und sie hätten den Zugang zu den Versicherten.
Die digitalen Wege seien bei der Behandlung längst nicht ausgeschöpft: „Das Zuweisungsverbot ist überholt. Die Patienten sollen entscheiden und ich kann dann über KIM direkt mit der Apotheke kommunizieren.“ Denn wenn man ehrlich sei, säßen auf dem Land „der Pfarrer, der Bürgermeister, der Arzt und der Apotheker alle an einem Stammtisch“.
Doch zwischen Arztpraxen und Apotheken herrscht Zuweisungsverbot. Zuletzt gab es bereits Forderungen der Ärzteschaft, das Zuweisungsverbot in Bezug auf die Heim- und Rezeptsammelstellenbelieferung aufzuheben. Denn mit dem E-Rezept ist es für Apotheken deutlich aufwendiger geworden, aber die flächendeckende Anbindung der Heime an die Telematikinfrastruktur (TI) ist laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) erst ab Juli 2025 verpflichtend geplant.
Auch beim Thema Medikationsliste sei eine verbesserte Kommunikation zwischen Apotheken und Praxen wichtig, um Interaktionen zu vermeiden, sagt von Meißner. Auch OTC-Präparate sollten eingepflegt werden. „Wir brauchen digitale Wege und klare Absprachen.“ Ein strukturiertes Miteinander gehe nur Vor-Ort. Eine Versandapotheke etwa habe bei ihm in der Praxis noch nie Rücksprache gehalten und eine Nachfrage zu einer Verordnung gestellt. „Ich finde es legitim, bei einer Versandapotheke zu bestellen, aber kann keinen Mehrwert bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erkennen.“