„Ich habe überhaupt keinen Futterneid“

Hausarzt: 18 Euro sind gerechtfertigt

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Berlin -

Nicht nur die Apotheken stellen seit Anfang der Woche – zunehmend erfolgreich – digitale Impfzertifikate für ihre Kund:innen aus. Auch die ersten Praxen sind bereits dabei. Hier scheint die Technik zwar stabiler zu funktionieren, für Atteste im großen Stil eignet sie sich aber nicht. Christian Sommerbrodt, Hausarzt aus Wiesbaden, hat seine ersten Erfahrungen gemacht: Angesichts des enormen Aufwands hält er die Einbindung der Apotheken und auch den Betrag von 18 Euro bei Patienten, die nicht in der eigenen Praxis geimpft wurden, und 6 Euro für Patienten, die in der eigenen Praxis geimpft wurden, für angemessen. Dass die Impfung selbst nur mit 20 Euro vergütet wird, konterkariert aus seiner Sicht allerdings die Honorierung der Impfatteste, sowohl in der Apotheke, wie auch in der Praxis.

Sommerbrodts Praxis nimmt an einem Modellprojekt der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) teil. Noch muss er die Daten in ein Portal eingeben; es sei relativ aufwendig gewesen, die Zugänge einzurichten. Aber immerhin sei es in den letzten Tagen relativ stabil und gut gelaufen. Während andere Kolleg:innen mittlerweile munter Zertifikate ausstellten, sei er allerdings eher zurückhaltend gewesen.

Denn er sieht massive Probleme auf die Ärzt:innen zukommen: „Es ist für Praxen nicht möglich, nebenher zum regulären Praxisbetrieb und Impfen noch Atteste für bereits gelaufene Impfungen in Massenabfertigung auszustellen. Auf diese Größenordnung sind weder Praxen noch Apotheken ausgelegt.“

Eine Aushilfskraft mit dem Ausstellen der Zertifikate zu beauftragen, ist für Sommerbrodt keine Option: Einerseits seien die Kapazitäten in der Praxis begrenzt, andererseits könne der Zugang auch stets nur auf einem Rechner genutzt werden. Vor allem aber sieht er datenschutzrechtliche Probleme. Denn die Übertragung zum Server des Robert Koch-Instituts (RKI) läuft über KV-Safenet – also den Tunnel, über den auch die Daten für die Abrechnung übertragen werden. „Mit den Zugangsdaten kann also jeder alle Abrechnungen der letzten Jahre einsehen – und sogar aktuelle Vorgänge ändern.“

Spätestens ab Anfang Juli sollen die Praxen die Zertifikate direkt über ihre Praxisverwaltungssystem (PVS) generieren können, was laut Sommerbrodt der einzig gangbare Weg überhaupt ist. Doch selbst dann sei fraglich, ob man die Zertifikate tatsächlich auf Knopfdruck generieren könne, wie man sich das im Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorstelle. „Voraussetzung wäre ja, dass jeder Arzt von vornherein einen dezidierten Pfad für die Dokumentation der Impfungen einhält.“ Das sei aber faktisch nicht der Fall: „Manche Kollegen hinterlegen die Impfung in der Notizspalte, das lässt sich dann natürlich nicht automatisiert auslesen.“ Allenfalls eine Kopplung an die Abrechnungsdaten kann Sommerbrodt sich vorstellen – er sei schon neugierig, wie das angekündigte PVS-Update in zwei Wochen dann aussehe.

Doch von den technischen Problemen abgesehen: Was Sommerbrodt an der Aktion vor allem stört, ist die Aussicht, dass völlig unbekannte Menschen in seiner Praxis stehen und Atteste verlangen. „Als Arzt will ich nicht in die Situation kommen, dass ich Fakes legalisiere.“ Man müsse auf so viele Details achten, dass man schon fast detektivischen Spürsinn brauche. Für ein TV-Team habe er unlängst den Test gemacht und eine Fälschung gehabt, die nicht zu erkennen gewesen sei.

Obwohl er selbst beim Aufbau eines Impfzentrums mitgeholfen hat, will er nun schnellstmöglich zurück zum Regelbetrieb. 300 Impfungen führe er pro Woche selbst durch; auch allen anderen Menschen, die Patient:innen in seiner Praxis sind und in einem Impfzentrum geimpft wurden, will er Atteste ausstellen. Wenn also Apotheken oder Praxen nun mit viel Aufwand fremde Atteste prüfen müssen, findet er auch das Honorar gerechtfertigt. „Da habe ich wenig Futterneid.“

Dass das Honorar für die Praxen nach Anbindung der Praxisverwaltung auf 2 Euro gekürzt werden soll, sieht er trotzdem kritisch: „Da werden die Ärzte massenhaft aussteigen.“

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