Die Witwe des früheren Inhabers ist verstorben, ihr Sohn will die Apotheke an den pachtenden Apotheker verkaufen. Doch man findet beim Kaufpreis nicht zueinander. Als das Regierungspräsidium Druck macht, zieht der Inhaber die Notbremse und eröffnet eine neue Apotheke – 80 Meter vom alten Standort entfernt. Jetzt streiten die Parteien vor Gericht darüber, ob es sich um eine Neugründung handelt oder die Apotheke umgezogen ist.
Vor fast genau zehn Jahren, im Januar 2009, verstarb Apotheker Dr. Harald Adam. Seine Markt-Apotheke im baden-württembergischen Phillipsburg führte er bis zu seinem Tod. Als Pächter übernahm Dr. Steffen Hauth die Apotheke im Oktober für netto 5000 Euro monatlich zuzüglich 4500 Euro für die Miete der Räumlichkeiten. Der Vertrag wurde auf zehn Jahre geschlossen. Doch im Mai 2017 verstarb auch Heidi Adam, das Pachtverhältnis konnte danach übergangsweise nur noch ein Jahr bestehen bleiben.
Hauth hatte Vorkaufsrecht und wollte die Apotheke auch übernehmen. Also traf man sich zu Verkaufsverhandlungen, die Vorstellungen lagen jedoch deutlich auseinander. Da sich der Alleinerbe und der Apotheker nicht einmal auf einen Gutachter einigen konnte, holte jede Seite ein eigenes Gutachten ein. Das brachte zumindest eine Annäherung: Adams Seite kam auf 520.000 Euro, die Treuhand hatte für Hauth einen Preis von 400.000 Euro errechnet.
Der Apotheker schlug vor, sich bei 460.000 Euro in der Mitte zu treffen. Bei einem Termin Mitte Dezember 2017 saß die Apobank schon mit am Tisch. Adams Steuerberater hatte aber nach der sogenannten Bargeldmethode zwischenzeitlich einen Betrag von 850.000 Euro ins Spiel gebracht. Es gab also wieder kein Ergebnis, im neuen Jahr wurde der Schriftverkehr über Anwälte fortgesetzt.
Dann kam Druck von außen: Anfang März schrieb das Regierungspräsidium an Apotheker Hauth, dass die Statusänderung von Pacht und Eigentum bis spätestens Mitte April vorliegen müsse, weil die Apotheke sonst zum 1. Juni schließen müsse. Da er nach eigenen Angaben zu diesem Zeitpunkt weder Kauf- noch Mietvertrag vorliegen hatte, sah sich Hauth nach Alternativen um und wurde bei einem stillgelegten Schleckermarkt in der Nähe fündig.
Im April scheiterten dann neue Verhandlungen, man konnte sich nicht einmal über Mietkonditionen einigen. In der Woche davor waren bereits andere Kaufinteressenten in der Offizin gewesen. Hauth entschied sich für den Standortwechsel. Allerdings gehen die Darstellungen auseinander, inwiefern hier mit offenen Karten gespielt wurde. Adam fühlt sich vom Apotheker getäuscht, Hauth beteuert, nichts verheimlicht, den möglichen Standortwechsel sogar offen an gesprochen zu haben. Jedenfalls erklärte er die Verhandlungen am 14. Mai für gescheitert, die Markt-Apotheke schloss zum Monatsende, die Räumlichkeiten wurden übergeben.
Am 24. Juli eröffnete Hauth die „Apotheke am Markt“, in jenem Ex-Schlecker 80 Meter vom alten Standort entfernt. Sein Team hatte er während der Betriebsunterbrechung weiter beschäftigt. Im nahe gelegenen Kirrlach betreibt Hauth noch die Rheintal-Apotheke. Aber die sei nur im Filialverbund überlebensfähig. „Meine ganze Selbstständigkeit stand auf dem Spiel“, so der Apotheker.
Doch auch wenn er mit dem neuen Standort sehr zufrieden ist – ausgestanden ist die Sache noch lange nicht. Adam hat den Apotheker verklagt: Dieser habe die Markt-Apotheke und damit den Gegenstand des Pachtvertrags mit der Eröffnung der Apotheke am Markt für sich vereinnahmt. Telefon- und Faxnummer nutze er weiterhin, das Personal und die sonstigen geschäftlichen Beziehungen seien ebenfalls übernommen worden. Hinzu kämen die Namensgleichheit und die örtliche Nähe der neuen Apotheke. Als letzten Beleg dafür, dass Hauth sich die Apotheke einfach angeeignet habe, führt Adams Seite ein Schild mit der Botschaft „Wir ziehen um“ an.
Das Schild hatte Hauth sofort wieder entfernt, ansonsten weist er die Vorwürfe aber zurück: Der Pachtvertrag enthalte kein Wettbewerbsverbot, auch kein nachvertragliches. Als Apotheker genieße er Niederlassungsfreiheit. Die geforderte Herausgabe der Kundendaten sei schon aus datenschutzrechtlichen Gründen unmöglich. Als Inhaber des Telefonanschlusses habe er auch die Rufnummer mitnehmen dürfen und die Domain apo-phillipsburg habe er selbst erst im Jahr 2011 eingerichtet, sie könne also nicht Gegenstand des Pachtvertrags sein.
Der Erbe verlangt von Hauth jetzt vor Gericht, die Apotheke am Markt wieder zu schließen und für anderthalb Jahre auch keine Apotheke in der Nachbarschaft des Ärztehauses zu betreiben. Denn damit sei die Pachtsache nicht wie vertraglich vereinbart zurückgegeben. Außerdem fordert er Schadenersatz für die Verletzung des Pachtvertrags. Wegen der Neueröffnung seien Kaufinteressenten für die Apotheke abgesprungen, beklagt Adam.
Das dürfe wohl eher an den überzogenen Preisvorstellungen des Erben gelegen haben, kontert Hauth. Die Apotheke wäre nach seinen Angaben im aktuellen Zustand nicht mehr revisionsfähig gewesen. Geschätzt nicht weniger als 300.000 Euro hätten zusätzlich investieren müssen, für die Einrichtung eines Beratungszimmers und ebenerdiger Toilette, sowie für einen neuen Abzug im Labor und einen Gefahrstoffschrank. Die gegenüber dem Vermieter monierten Mängel seien zuvor nie behoben worden, im Falle einer Statusänderung hätte er aber selbst als Inhaber keinen Bestandsschutz mehr gehabt.
Mehr noch: Im Rahmen der Verkaufsverhandlungen hatte die Nutzflächenberechnung ergeben, dass die Gesamtfläche im Mietvertrag deutlich zu hoch angegeben war, mehr als 20 Prozent. Hauth macht deshalb einen erheblichen Mangel des Mietobjekts geltend und verlangt eine Rückzahlung der aus seiner Sicht zu viel gezahlten Miete. Seine Gegenklage beläuft sich auf 18.450 Euro. Am 22. Januar treffen sich die Parteien vor dem Landgericht zu einem ersten Gütetermin.
APOTHEKE ADHOC Debatte