Aprilscherze kommen offenbar nie aus der Mode. Der kleine Neck am Rande mag im Alltag auch noch als Kinderei durchgehen. Doch was der der Deutsche Hanfverband München am Mittwoch – dem 31. März! – verbockt hat, lässt sich wahrlich nicht mehr als Scherz abtun: Er behauptet in einer Pressemitteilung, es habe eine Razzia bei PharmaSGP gegeben, die Staatsanwaltschaft München 1 ermittle wegen „Wucher und Verbrauchertäuschung“ gegen das Unternehmen. Erst auf Nachfrage räumt ein Sprecher ein, dass es sich bei dieser ziemlich üblen Verleumdung nur um einen Aprilscherz handeln sollte.
Zunächst eignet sich der Vorwurf einer angeblichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlung schon kaum als Aprilscherz. Beim Hanfverband mochte man diesen Tritt gegen ein Nichtmitglied vielleicht witzig finden, doch sein Lachen blieb den Verantwortlichen relativ bald im Halse stecken – nämlich als sie einen Anruf von den Unternehmensanwälten erhielten.
Doch der Reihe nach: Der Verband verschickte am Mittwoch eine Pressemitteilung samt kostenfrei zu verwendender Fotos von der PharmaSGP-Firmenzentrale mit einer Sperrfrist zum Folgetag – ein normales Vorgehen im journalistischen Alltagsgeschäft, ungewöhnlich jedoch angesichts des Inhalts. Denn der ist brisant: „Razzia bei Münchener Pharmaunternehmen“, ist sie überschrieben. „Staatsanwaltschaft: ‚Wucher und Verbrauchertäuschung‘“.
Demnach habe die Staatsanwaltschaft München 1 eine Durchsuchung bei PharmaSGP angeordnet, bei der Warenbestände und Unterlagen sichergestellt worden sein sollen. Anlass sei das bekannteste Produkt des Unternehmens: Rubaxx. PharmaSGP werde vorgeworfen, damit seit rund zwei Jahren Verbraucher zu täuschen. Getäuscht hat aber in Wahrheit nur der Hanfverband. Denn die ganze Geschichte ist von vorne bis hinten frei erfunden.
Selbst die Staatsanwaltschaft holt der Verband mit ins Boot: Durch das Vorgehen von PharmaSGP sei der Straftatbestand des §291 StGB – also Wucher – erfüllt, legen ihr die Cannabisaktivisten in den Mund. Auch dafür, dass „das monierte Produkt weiterhin bundesweit großflächig in Gratiszeitungen beworben“ werde, haben sich die Aktivisten ein Zitat ausgedacht: „Aus unserer Sicht muss die Werbung hierfür sofort unterbunden und die Käufer entschädigt werden. Kriminalität darf sich nicht lohnen“, hat demnach eine offenbar erfundene Staatsanwältin namens Waldgrün gesagt.
Und nicht nur die Staatsanwaltschaft muss herhalten, dem Bayerischen Kammerpräsidenten Dr. Thomas Benkert legt der Verband gleich ein ganzes – frei erfundenes – Zitat in den Mund: „Cannabis als Medizin hat ein großes Potential. Das einzige Potential von Rubaxx Cannabis Öl sind jedoch hohe Einnahmen für Hersteller und Apotheken. Seriöse Pharmazeuten raten von diesem Produkt ab.“ Benkert war natürlich nicht eingeweiht, er zeigt sich auf Anfrage entrüstet über den schlechten Scherz. Die Kammer will den Vorgang rechtlich prüfen.
Ebenso PharmaSGP selbst. Das Unternehmen wurde erst auf Anfrage auf den Fall aufmerksam – und aktiv. Geschäftsführerin Natalie Weigand war nach eigenen Angaben schockiert. „Das ist eine absolute Unverschämtheit. Ich bin sprachlos und kann mir nicht erklären, wie man daraus einen Scherz machen kann“, sagt sie. „Damit schürt der Hanfverband bewusst Unsicherheit unter den Verbrauchern – und damit scherzt man nicht.“ Weigand schaltete direkt die Firmenanwälte ein, die sich wiederum an den Hanfverband wendeten. Der habe umgehend zugesagt, zeitnah eine Klarstellung zu veröffentlichen. Ob das hilft, ist fraglich. „Weitere rechtliche Schritte behalten wir uns vor. Es handelt sich nach unserer vorläufigen Auffassung um vorsätzlich geschäftsschädigendes Verhalten“, so Weigand. Denn der Verband erhebt in seiner Pressemitteilung auch schwerste Vorwürfe gegen Rubaxx – unter anderem, dass es sich ledlich um ein überteuertes „Salatöl“ handele. „Rubaxx ist seit langem eine führende Apothekenmarke im Schmerzbereich, die hohes Vertrauen genießt“, wendet Weigand ein. „Alle Produkte der Marke Rubaxx erfüllen stets die höchsten Qualitätsstandards für Patienten und Verbraucher.“
Bei offensichtlichen Scherzen – gerade am ersten April – geht die Satirefreiheit zwar bekanntlich recht weit. Doch hier dürfte die Grenze des rechtlich Zulässigen weit überschritten sein. Denn die Meldung des Hanfverbands ist frei von jeder Ironie geschrieben und schließt sogar mit der Bemerkung: „Wir freuen uns auf Ihre Berichterstattung! “ Selbst Fotos vom Firmengelände und Produkten der hintergangenen Firma wurden zur kostenfreien Verwendung mitgeliefert. Ob die Urheberrechte hier tatsächlich beim Hanfverband liegen, spielt bei dieser Gesamtgemengelage schon fast keine Rolle mehr.
Verschiedene Medienanwälte zeigten sich entsetzt über den Vorgang. Sie würden PharmaSGP raten, gegen die üble Nachrede vorzugehen. Zwar ist es in solchen Verfahren regelmäßig schwierig, einen konkreten Schaden zu beziffern, aber zumindest dem Grunde nach könne man sich den Anspruch gerichtlich bestätigen lassen. „Wenn das unser Mandant wäre, würden wir die Kavallerie losschicken“, so ein Medienanwalt.
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