Graue setzt sich gegen AOK durch Lothar Klein, 01.06.2016 11:35 Uhr
Im Streit mit dem Hamburger Apothekerverein (HAV) um die Versorgung von Patienten mit Spezial- und Sondennahrung hat sich die AOK Rheinland/Hamburg eine „blutige Nase“ geholt. Im Rahmen eines Anhörungstermins vor dem Hamburger Sozialgericht hat die Kasse ihre fristlose Kündigung zurückgenommen. Die Streitgegner AOK Rheinland/Hamburg und Hamburger Apothekerverein haben sich auf die Fortsetzung der vertraglichen Lieferberechtigung der Hamburger Apotheken für Spezial- und Sondennahrung geeinigt.
„Von diesem Erfolg für den Rechtsfrieden profitieren nicht nur unsere Mitgliedsapotheken, deren Lieferberechtigung die AOK seit Anfang April dieses Jahres bestritten hatte, sondern vor allem auch die AOK-Versicherten, die nunmehr von unseren Apotheken wieder aus einer Hand versorgt werden können“, zeigte sich der HAV-Vorsitzende Dr. Jörn Graue mit dem Ausgang vor Gericht mehr als zufrieden.
Zum Hintergrund: Die AOK Rheinland/Hamburg hatte am 31. März 2016 per Fax den Hamburger Apothekerverein (HAV) darüber informiert, dass die Mitgliedsapotheken des Vereins ab 1. April 2016 nicht mehr für die Versorgung ihrer Versicherten mit Spezial- und Sondennahrung lieferberechtigt seien. Begründet wurde dies mit dem Neuabschluss eines Vertrages mit anderen Leistungserbringern und der gleichzeitigen Behauptung, dass der Vertrag mit den Apotheken nichtig sei. „Ein klarer Bruch des bestehenden Vertrages, gegen den sich der HAV mit einer sofortigen Klage beim Hamburger Sozialgericht zur Wehr gesetzt hat“, so Graue.
Im Zuge der gestrigen Anhörung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren sei deutlich geworden, dass der leitende Richter eher der Rechtsauffassung des Hamburger Apothekervereins folgen würde, als den Argumenten der AOK. „Daher haben wir im Interesse einer schnellen Wiederherstellung der Versorgungssicherheit der AOK einen Vergleich angeboten“, erklärte Graue. „Wir werten es als ein Zeichen vertragspartnerschaftlicher Vernunft, dass die AOK diesem Vorschlag gefolgt ist und damit der Rechtsstreit vor Gericht gütlich beigelegt werden konnte“, ergänzt der Vereinsvorsitzende.
Der Vergleich beinhaltet die rechtsförmliche Kündigung des bisherigen Vertrages zum 30. September 2016 und zugleich die Fortsetzung der Lieferberechtigung ab 1. Oktober 2016 mit neuen Vertragskonditionen. Diese umfassen unter anderem auch die besondere Anerkennung der Beratungsfunktion der Apotheken bei der Erstversorgung von Patienten mit Spezial- und Sondennahrung. Die neuen Konditionen werden erst später bekannt gegeben.
Die AOK Rheinland/Hamburg hatte den Hamburger Apotheken mit der Kündigung des alten Vertrages eine Vergütung in Höhe von Einkaufspreis minus 17 Prozent angeboten. Bislang erhalten die Apotheken auf Basis des Arzneimittelliefervertrages einen Zuschlag von 15 Prozent auf den Listenpreis bei kleineren Mengen und 5 Prozent ab zehn Einheiten Spezial- und Sondennahrung. Diese Konditionen gelten jetzt bis Ende September fort.
Graue sah im Vorgehen der AOK einen „eklatanten Vertragsbruch“ . In einem Schreiben an den AOK-Vorsitzenden Günter Wältermann hat Graue die Kündigung scharf kritisiert und ihn „ultimativ aufgefordert“, diese bis zu einer einvernehmlichen Klärung der Vertragslage zu stoppen, „um Schaden für die AOK-Versicherten abzuwenden“.
AOK-Chef Wältermann hatte dies abgelehnt. Als Konsequenz hat der Hamburger Apothekerverein einstweiligen Rechtsschutz in Form einer Feststellungsklage auf Fortbestehen des Vertrages beim Sozialgericht Hamburg eingereicht. „Sehr geehrter Herr Wältermann, dieses Vorgehen ist inhaltlich und zeitlich ganz schlechter Stil“, so Graue an den AOK-Chef.
Die jetzige Einigung folgte dem Muster eines früheren Streits zwischen der AOK Rheinland/Hamburg und dem Hamburger Apothekerverein, indem sich ebenfalls Graue durchsetzte: Anfang Juli 2014 hatte die AOK Rheinland/Hamburg den Hamburger Apotheken die Berechtigung zur Ausgabe von Hilfsmitteln abgesprochen. Nachdem die Kasse den Hilfsmittelvertrag fristlos gekündigt hatte, waren die Hamburger Apotheken nach AOK-Meinung seit dem 1. Juli 2014 nicht mehr zur Abgabe berechtigt.
Auch dagegen hatte sich der Hamburger Apothekerverein mit allen rechtlichen Mitteln zur Wehr gesetzt. Nach mehreren Verhandlungsrunden lenkte die Kasse schließlich ein und nahm die fristlose Kündigung zurück. Es wurde ein neuer Vertrag ausgehandelt.