Hämophilie-Präparate

Zentrumspreis-Retax oder Verlust

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Berlin -

Die Abgabe hochpreisiger Arzneimittel lohnt sich nur noch für Apotheken mit hoher Liquidität. Doch bei Hämophilie-Präparaten werden sie de facto zum Verlustgeschäft gezwungen, wenn sie ihre Patienten versorgen wollen. Denn die Kassen steuern die Abgabe in Richtung Arztpraxis, weil das für sie günstiger ist. Je nach Software bekommen die Apotheker das vor der Abgabe jedoch gar nicht angezeigt – und laufen ohne Vorwarnung in die Retaxation.

Eine Apotheke in Süddeutschland hatte ein Rezept über das Präparat Refacto (Faktor VIII) von Pfizer bekommen. Der Blutgerinnungsfaktor hat in der Wirkstärke mit 1000 I.E. einen Herstellerabgabepreis (ApU) von 970 Euro, verordnet waren 30 Packungen. Inklusive der eigenen Aufschläge und Mehrwertsteuer stellte die Apotheke der Techniker Krankenkasse (TK) also 35.895,60 Euro in Rechnung.

Doch die Kasse retaxierte den Betrag um knapp 6000 Euro auf 29.988 Euro. Als Grund für die Absetzung ist „Kürzung auf Zentrumspreis“ genannt. Das ist der Preis, zu dem Ärzte und Hämophilie-Zentren – daher der Begriff Zentrumspreis – das Pfizer-Präparat abrechnen.

Und die TK ist nicht bereit, mehr für die Präparate zu bezahlen. Hintergrund ist ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG). Die Kasseler Richter hatten im Mai 2015 entschieden, dass Ärzte bei der Verordnung von Gerinnungsfaktoren aus Wirtschaftlichkeitsgründen die Apotheken umgehen müssen. Ein Regress von 16.000 Euro gegen eine Ärztin aus Sachsen-Anhalt wurde bestätigt, weil diese einen Bluterpatienten mit den Rezepten in die Apotheke geschickt hatte.

Einem TK-Sprecher zufolge hat das BSG den wirtschaftlichen Bezugsweg als verpflichtend festgestellt. Der Zentrumspreis sei als wirtschaftlich anzusehen; er werde mit der TK in der weitaus größten Anzahl der Fälle abgerechnet. „Der Bezug von Faktorpräparaten über eine öffentliche Apotheke ist damit in vielen Fällen heute unwirtschaftlich, soweit der Zentrumspreis nicht zugrunde gelegt wird“, so der TK-Sprecher.

BSG-Urteile seien für die Kassen bindend, erklärt die Kasse weiter. „Die TK akzeptiert bezugnehmend auf das Urteil des Bundessozialgerichts keine Abrechnungen von Faktorpräparaten mehr, die den Zentrumspreis übersteigen“, so der Sprecher.

Apotheken können bei Pfizer aber nicht zum Zentrumspreis einkaufen. Sie müssen die Patienten also eigentlich wegschicken, wenn sie keine Verluste hinnehmen wollen. Besonders perfide: Die Apotheke bekommt den höheren Abrechnungspreis – je nach EDV-Anbieter – in der Software sogar angezeigt. Selbst der Retax-Service eines Apothekerverbandes konnte keinen Fehler bei der Abrechnung feststellen.

Bei Hämophilie-Präparaten sollten Apotheken also doppelte Vorsicht walten lassen. Refacto ist ohnehin nicht über den Großhandel zu beziehen, sondern nur direkt bei Pfizer. Je nach EDV-System gibt es noch einen Hinweis, dass der Abrechnungsbetrag über dem Erstattungsbetrag liegt – und die Differenz dem Kunden in Rechnung gestellt werden könne. Das aber wird wohl kaum eine Apotheke ihren Patienten anbieten.

Bei den Herstellern ist das Problem bekannt. Die Krankenkassen hätten eben gerne, dass alle Präparate dieser Klasse über die Ärzte laufen, heißt es. Die Apotheken hätten leider nichts von dem Geschäft. Einige würden es allerdings ihren Stammkunden anbieten, um diese versorgen zu können.

In der Praxis führt das BSG-Urteil teilweise zu skurrilen Lösungen: Wenn der Wohnort des Patienten weit von der Praxis entfernt ist, werden Apotheken zu einer Art Ausgabestellen im rechtlichen Graubereich. Gibt es Probleme mit der Auslieferung des von der Arztpraxis direkt bestellten Arzneimittels, geben einige Apotheken die Präparate ohne Rezept an ihnen bekannte Patienten ab. Eine Kopie des Originalrezepts wird dann übermittelt, nur dass die Apotheke daran nichts verdient. Das Rezept schickt der Arzt direkt an den Hersteller.

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