Seit Jahren ist das Apothekenhonorar nicht angepasst worden. Die Abda will den Druck auf die Politik erhöhen und dazu heute Protestmaßnahmen vorstellen. Apotheker Yannick Detampel aus Schleswig-Holstein ist schon ein paar Schritte weiter. Er hat ein Rechtsgutachten zum Fixum erstellen lassen. Die Quintessenz: Grundsätzlich sollte es möglich sein, den Verordnungsgeber zu einer Anpassung gerichtlich zu verpflichten – auch wenn das lange dauern würde und nicht ohne Risiko wäre.
Detampel ist Inhaber der Holsten Apotheke in Schacht-Audorf. Er ist für den Verein Freie Apothekerschaft aktiv und kandidiert bei der Kammerwahl in Schleswig-Holstein. „Da sich Vergütungstechnisch seit 2013 nichts mehr getan hat, und die politischen Verhandlungen auch eher zäh verlaufen, habe ich auf eigene Kosten ein rechtliches Kurzgutachten erstellen lassen“, berichtet der Apotheker gegenüber APOTHEKE ADHOC. Die Kanzlei Brock Müller Ziegenbein habe schon für die Ärzteschaft erfolgreich geklagt.
Dr. Fiete Kalscheuer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, hat das Kurzgutachten „Zu den juristischen Möglichkeiten einer Verpflichtung des Gesetzgebers zur Erhöhung des Fixbeitrags in § 3 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV)“ vorgelegt. Das Fixum wurde zuletzt 2013 von 8,10 auf 8,35 Euro erhöht. Apotheker Detampel möchte wissen, ob er einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch gegen den Verordnungsgeber hat, das Honorar zu erhöhen.
Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass es grundsätzlich rechtlich möglich sein dürfte, diesen Anspruch gerichtlich feststellen zu lassen. „Ein subjektives Recht auf Normänderung könnte sich aus § 78 Abs. 2 Satz 1 Arzneimittelgesetz (AMG), jedenfalls aber aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz ergeben.“
Als Risiko in einem Prozess um das Honorar sieht Rechtsanwalt Kalscheuer das ominöse 2hm-Gutachten aus dem Jahr 2018. Die vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) beauftragten Gutachter kamen seinerzeit zu dem Schluss, dass sogar eine deutliche Reduktion des Fixbetrages angezeigt sei. Das 2hm-Gutachten müsste daher mit substanziellen Argumenten gegengutachterlich in Frage gestellt werden, sollte man sich vor Gericht streiten.
Und einen langen Atem müssten die Apotheken auch mitbringen: „Prozessual wäre ein entsprechender Anspruch zunächst mit der verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage zu verfolgen. Eine Verfassungsbeschwerde käme erst nach Erschöpfung des Verwaltungsrechtswegs in Frage.“
Das Gutachten stellt zunächst fest, dass die beiden Preiskomponenten – der Zuschlag von 3 Prozent und der Fixbetrag von 8,35 Euro – unterschiedliche Funktionen haben. So sei der variable Teil „für die Kosten der Warenbewirtschaftung sowie die Vorfinanzierung, die insbesondere bei Abrechnung mit den Krankenkassen erforderlich sind“. Das Fixum sei dagegen „ist ein finanzieller Anreiz für eine qualitätsorientierte, preisunabhängige Beratung der Versicherten“.
Der Gesetzgeber habe dabei „eine regelmäßige Anpassung des Fixbetrages durch den Verordnungsgeber“ vorgesehen, die sich „an der jeweiligen Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung“ ausrichten soll. Im Gesetz stehe zudem eine regelmäßige Überprüfung im Abstand von zwei Jahren.
„Tatsächlich ist es in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht zu einer regelmäßigen Anpassung des Fixbetrages an die Kostenentwicklung der Apotheken gekommen“, heißt es im Gutachten. Der Fixpreis liege lediglich 3,09 Prozent höher als vor 19 Jahren. Damit sei in den vergangenen zwei Jahrzehnten ein erheblicher Kaufkraftverlust zu verzeichnen. Diese Entwicklung drohe sich angesichts der derzeit hohen Inflationsraten weiter zu verstärken.
Die entscheidende Frage: Können die Apotheken eine Anpassung einklagen? Juristisch ausgedrückt ist zu klären, ob ein subjektives öffentliches Recht auf die begehrte rechtssetzende Maßnahme aus einer Norm besteht. In der Kommentierung zur Preisregelung im Arzneimittelgesetz (§ 78 Abs. 2 Satz 1 AMG) ist von einem sogenannten „Programmsatz“ die Rede. Das sind gesetzliche Bestimmungen, die „keine unmittelbare Verbindlichkeit beansprucht, sondern nur Absichten, Vorstellungen, Zielsetzungen oder Pläne des Gesetzgebers wiedergibt“, heißt es im Gutachten. Im selben Kommentar von Rehmann heiße es aber auch, dass die Festsetzung von Preisspannen in die Berufsausübungsfreiheit eingreife.
Dabei dürfte der Gesetzestext aus Sicht des Gutachters als Verpflichtung des Verordnungsgebers zu verstehen sein, „den berechtigten Interessen der betroffenen Leistungsträger Rechnung zu tragen“. Das Bundesverfassungsgericht habe sich zwar nicht zum Rechtscharakter des § 78 Abs. 2 AMG geäußert, dafür aber zu § 11 Bundesärzteordnung (BÄO) mit einem ähnlichen Wortlaut und ähnlicher Funktion. Aus der Rechtsprechung aus Karlsruhe dürfte zu schließen sein, dass der Verordnungsgeber auch beim Apothekenhonorar verpflichtet ist, einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen – Versicherte und Apotheken – herbeizuführen.
Auch dem Grundgesetz (Art 12 Berufsausübungsfreiheit) lasse sich ein subjektives Recht auf Änderung der AMPreisV entnehmen, heißt es im Gutachten weiter. Wiederum das BVerfG habe hierzu schon geurteilt: „Vergütungsregelungen und hierauf gründende Entscheidungen, die auf die Einnahmen, welche durch eine berufliche Tätigkeit erzielt werden können, und damit auch auf die Existenzerhaltung von nicht unerheblichem Einfluss sind, greifen in die Freiheit der Berufsausübung ein.“ Damit stellen laut Gutachten auch die Regelungen über die Preisbindung der Apotheker einen Eingriff Berufsausübungsfreiheit dar
Ob tatsächlich ein subjektives Recht auf Änderung der AMPreisV besteht, lasse sich allerdings noch nicht abschließend beurteilen. „Dem Gesetzgeber kommt bei der Regelung der Berufsfreiheit insbesondere auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftsordnung eine weite Gestaltungsfreiheit zu“, so die Gutachter.
Bauchschmerzen bereitet das 2hm-Gutachten, das 2018 „eine Reduktion des absoluten Festzuschlags auf 5, 84 Euro“ vorgeschlagen. Das Gutachten im Auftrag des BMWi habe auch gezeigt, dass der Festzuschlag nur eine Komponente in einem hochkomplexen Preisbildungssystem darstelle, welches sich – isoliert betrachtet – gerichtlich nur sehr schwer beurteilen lassen dürfte.
Für zumindest wahrscheinlich hält es Rechtsanwalt Kalscheuer, dass Apotheker Detampel klagebefugt wäre, da er wie gezeigt in seinen subjektiven Rechten verletzt sei. Auch das sogenannte Feststellungsinteresse sei gegeben. Eine unmittelbare Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe wäre dagegen aussichtlos, weil eine Klage vor den Verwaltungsgerichten nicht offensichtlich aussichtslos wäre. „Das Bundesverfassungsgericht würde voraussichtlich schon deshalb auf einer Beschreitung des Rechtswegs bestehen, weil es eine vorherige Klärung der tatsächlichen und einfachrechtlichen Fragen durch die allgemein zuständigen Gerichte für notwendig erachtet“, heißt es im Gutachten.
Rechtsanwalt Kalscheuer kommt zu dem Schluss, dass es auf die Munition ankommt. Aussichtsreich wäre eine Klage demnach nur, wenn Apotheker Detampel ausreichend Material vorbringen kann, um das 2hm-Gutachten auszuhebeln.
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